Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Kultur-Podcasts aus München, Folge 7 und Ende:Reden übers Sehen

Freaks, die im Netz über Film und Fernsehen plaudern

Von Bernhard Blöchl

Ein bisschen wundern darf man sich schon, staunen auch. Über das, was bei Podcasts eigentlich passiert. Im Fall der "Abspanngucker" gehen ein paar Freunde ins Kino, schauen sich fast drei Stunden lang den neuen Quentin-Tarantino-Film an, um hinterher noch einmal zwei Stunden darüber zu plaudern, was sich dann, geschnitten und aufbereitet, mehrere hundert, manchmal tausende Hörer online anhören. Oder die Kollegen von der "Medienkuh". Die verbringen Abende und Nächte vor dem Fernseher, im Internet sowieso, um ihr hörendes Publikum über TV-Phänomene wie "The Masked Singer" oder "Das Sommerhaus der Stars" zu informieren oder Branchengerüchte weiterzuspinnen. Sie reden über das Schauen, was wiederum andere gerne hören. Bemerkenswert.

Hinter den "Abspannguckern" stecken René Hoffmann und Alexander Sobolla, zwei befreundete 37-Jährige aus Fürstenried und Neuperlach, der eine Cutter, der andere IT-Analyst. Seit April 2016 senden sie, besprechen Kinofilme und Serien. Den komplexen Sci-Fi-Hit "Westworld" haben sie Folge für Folge rekapituliert, regelmäßig laden sie sich Gäste ein, darunter Filmjournalisten und Games-Freaks. Das Besondere an ihrem Nerd-Talk: Sie arbeiten Knackpunkte der Geschichte heraus, den "Midpoint" zum Beispiel oder Tiefpunkte der Protagonisten. Dabei orientieren sie sich an dem "Beat-Sheet" von Drehbuchspezialist Blake Snyder. Etwa alle 14 Tage gibt es eine neue Folge, zuletzt waren sie noch etwas fleißiger.

Die "Medienkuh" schreibt sich eigentlich "MedienKuH". Die Nachnamen der Betreiber lauten Körber und Hammes, so wird eine "KuH" daraus. Auch die beiden sind Mitte 30, sie haben sich im Online-Journalismus kennengelernt. Kevin Körber lebt in München, ist PR-Redakteur bei Pro Sieben Sat.1, Dominik Hammes lebt im Großraum Ingolstadt, ist freier Autor, Social-Media-Berater, Blogger und Podcaster. Zwei Medien-Junkies durch und durch, privat wie beruflich. Wie ein Kollegengespräch wirkt denn auch ihr Podcast, Neues gibt es ungefähr drei Mal im Monat. Kürzlich lief bereits die 333. Folge ("333 große Nerverei", wie Hammes dichtete), was die Konsequenz der beiden unterstreicht. Seit 2009 plaudern sie im Netz, oder, wie sie selbst sagen: "zehn Jahre, zwei Dödel, ein Podcast".

"Das war damals eine wilde, wilde Zeit, also noch nicht jeder Schachclub einen Podcast hatte", erinnert sich Dominik Hammes, der insgesamt vier Podcasts betreibt. Angefangen haben er und Körber nach dem Prinzip "einfach machen", der Maxime folgend: "Wir unterhalten uns gegenseitig." Über die Jahre haben sie ihren eigenen Stil gefunden. Sie selbst bezeichnen sich als "die Wiederkäuer der Podcastlandschaft", die in "wöchentlichen Therapiesitzungen" über das reden, was die Medien so hergeben. Sie haben Witz, sie kennen sich aus, das Beste aber ist: Sie nehmen sich selbst nicht so ernst. Auch bei den "Abspannguckern" steht der Spaß und das Miteinander im Vordergrund. "Wir haben schon immer diese ausufernden Gespräche über Filme geführt", erzählt Alexander Sobolla, der René Hoffmann vor 20 Jahren kennengelernt habe - im Kino, bei "Wild Wild West". Ausufernd ging es auch on air weiter, seit sie 2016 gestartet sind. Ihre erste Folge ist zweieinhalb Stunden lang. Wie sehr sie lieben, was sie machen, sieht man auch daran: Manchmal sitzen sie mit ihrem mobilen Recorder und Handmikrofonen in der Nähe des Cinema in der Nymphenburger Straße, um direkt nach dem Film ihr Gespräch darüber aufzunehmen.

Leidenschaft und Spaß sind ihr Motor, klar, ihr Podcast ist ein Hobby. "Es dürfte ein Kern von mehreren hundert Hörern sein, die uns durchgängig hören. Wirklich erfolgreiche Episoden erreichen bei uns 4000 bis 5000 Zugriffe", sagt Sobolla. Bei der "Medienkuh" hören mehr zu, sie sind bereits etabliert. Zwar seien Statistiken immer schwierig, meint Dominik Hammes und spricht von "starken Schwankungen". Aber bei 10 000 Zugriffen sei eine Folge erfolgreich. Besonders freut er sich über Feedback von der Medienprominenz. Kurt Felix habe einmal eine E-Mail geschrieben, voll des Lobes, wie Hammes sagt. Konstruktive Kritik gab es von ihm auch. So habe Felix die Frage gestellt: "Warum denn so lang?" Auch Olli Schulz lobte öffentlich die "Medienkuh", was einer Adelung gleichkommt. Zusammen mit Jan Böhmermann betreibt der Songwriter und Moderator den Podcast-Hit "Fest & Flauschig". "Das ist der Bonus obendrauf", freut sich Hammes, der ebenfalls den hohen Spaßfaktor als Motivation nennt.

Da für ihn und Körber die "Medienkuh" außerdem immer auch eine Art Sprungbrett war, ein Beschleuniger der Job-Möglichkeiten, stellen sie sich die Frage nach dem Warum nicht wirklich oft. "Wir werden stur weitermachen wie das deutsche Fernsehen. Aufhören steht halt nicht im Buch drin."

Im Netz zu finden: www.medienkuh.de, www.abspanngucker.de, außerdem bei Apple Podcasts, Spotify, Facebook und Twitter

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Quelle:
SZ vom 09.09.2019
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