SZ-Kultursalon:Eine Mission für alle

"Vorwärts zur Natur!" mit dem SZ-Kultursalon: Auguste von Bayern und Michael John Gorman über das geplante Museum "Biotopia"

Von Evelyn Vogel

Was wäre die Welt ohne Visionen? In jedem Fall ärmer. Wo wäre die Menschheit ohne sie? Vermutlich nicht im Anthropozän. Der Mensch ist zum wichtigsten Einflussfaktor für die Entwicklung der Erde geworden. Die Beziehung zwischen Mensch und Natur definiert sich anders, als in früheren Zeiten. Auch deshalb scheint es nur folgerichtig, dass anstelle des Museums "Mensch und Natur" im Nymphenburger Schlosspark in wenigen Jahren das "Biotopia" eröffnen soll. Ein Haus mit der Vision, "eine verständnisvollere, ausgewogenere und nachhaltigere Beziehung zwischen Menschen und anderen Lebewesen" zu schaffen. Und ein Haus mit der Mission: Diese Beziehungen mit Hilfe eines transdisziplinären Konzepts zu erforschen, zu hinterfragen und neu zu gestalten.

Dazu befragte Susanne Hermanski, Leiterin der Kulturredaktion der Süddeutschen Zeitung, beim SZ-Kultursalon "Vorwärts zur Natur!" die Vorsitzende des Förderkreises des geplanten Museums, Auguste von Bayern, und Gründungsdirektor Michael John Gorman. Eine Landpartie brachte die Gäste des Salons, der erneut mit Unterstützung des sozial-kulturellen Stiftungsnetzwerks "Sonet" stattfand, aufs Land, nämlich zur Stiftung Nantesbuch, wo Susanne Klatten ihrerseits Natur und Kunst verbindet (siehe rechts).

Mit Biotopia werde man das Naturkundemuseum neu entdecken, versprachen die beiden Biotopia-Macher. Es werde alle Sinne ansprechen, sei nicht nur Ausstellungs-, sondern Diskussions- und Kommunikationsplattform und ein Lernort zwischen Wissenschaft und Kunst für alle Alters- und Bildungsschichten. Biotopia wird mit einer Gesamtfläche von fast 13 000 Quadratmetern etwa dreimal so groß sein wie das bisherige Museum und über eine Ausstellungsfläche von mehr als 7000 Quadratmetern verfügen. Geplant hat es das Architekturbüro Volker Staab. 2019 wird "Mensch und Natur" geschlossen, 2025 soll Biotopia eröffnet werden, aber in der Zwischenzeit werde es viele Veranstaltungen geben, damit "kein Tag ohne Museum vergeht", so Auguste von Bayern.

Der Spross aus dem Hause Wittelsbach - Tochter von Luitpold und Beatrix von Bayern und Nichte des Wittelsbacher Familienoberhaupts Herzog Franz - ist promovierte Zoologin und bekannt durch ihre Forschungen über Rabenvögel. Jahrelang habe sie mit einem Vogel auf der Schulter gelebt, verriet sie. Derzeit hat sie keinen Vogel mehr, "im Moment sind alle ausgeflogen". Schon früh war Auguste von Bayern fasziniert von Biologie und Natur, lernte mit 14 Jahren die britische Verhaltensforscherin Jane Goodall und den erst kürzlich verstorbenen und nicht minder bekannten Evolutionsbiologen Irenäus Eibl-Eibesfeldt kennen. Charmant erzählte sie davon, wie nervös sie war, als sie Goodall das erste Mal bei einem Empfang treffen sollte. Doch die berühmte Wissenschaftlerin nahm dem völlig verunsicherten Mädchen mit den Worten "du sitzt jetzt neben mir" jede Scheu. Später hat Auguste von Bayern unter anderem in Afrika für Goodalls Stiftung gearbeitet.

SZ Kultursalon

Lüpertz' Daphne

(Foto: Manfred Neubauer)

Sie sieht Biotopia als "Jahrhundertchance", in München ein "international führendes Life-Science-Projekt" zu etablieren. "Mensch und Natur" sei in den Neunzigerjahren als Provisorium entstanden. Allen Einschränkungen zum Trotz habe es "sehr erfolgreich" gearbeitet, aber vieles könne man dort nicht realisieren. Durch den Umzug der LMU nach Martinsried bot sich die Möglichkeit, das Museum deutlich zu erweitern. Auguste von Bayern versteht Biotopia als "Pendant zum Deutschen Museum". Dass sie damit nicht übers Ziel hinausschießt, wie mancher im Publikum vielleicht spontan dachte, wurde schnell klar. Denn nicht nur, dass Bayerns Ministerpräsident Markus Söder Biotopia als "Leuchtturmprojekt" bezeichnet. Das neue Museum ist auch Gründungsmitglied des Verbands "Naturkunde Netz Bayern" und damit bestens in der bayerischen Museumslandschaft verankert. Wolfgang Heckl, Chef des Deutschen Museums und Gast beim SZ-Kultursalon, stimmte in das Loblied auf das Konzept von Biotopia ein. Er war zudem in der Auswahlkommission für den Posten des Gründungsdirektors.

Den bekleidet der Ire Michael John Gorman. Höchst amüsant erzählte Gorman, wie er damals nach München reiste, wo er - wie er meinte - einen Vortrag halten sollte. Erst im Laufe des Treffens sei ihm klar geworden, dass sein "Vortrag" offensichtlich als Bewerbungsgespräch gewertet wurde. In dem Moment nämlich, als man ihn fragte, wie er sich denn das Konzept vorstelle und warum er unbedingt nach München komme wolle.

So überzeugend das Konzept von Biotopia ist, so überraschend war für die beiden Gäste des SZ-Kultursalons der Gegenwind, den das Projekt bei der Vorstellung der Architektur 2016 erleben mussten. Moderatorin Susanne Hermanski scheute sich nicht, auch diesen kritischen Moment in der jüngeren Planungsgeschichte des Museums anzusprechen. Förderkreisvorsitzende Auguste von Bayern erinnert sich, dass zunächst alle von Biotopia begeistert waren, denn es sei "ein Projekt, das allen gut tut". Die "heiße Diskussion" um die Architektur, insbesondere die Fassade, habe viel später eingesetzt, erinnert sich Gorman. Aber man habe schnell reagiert, mit allen Beteiligten gesprochen und die Fassade weiterentwickelt. Volker Staab sei zudem "keine Diva", er könne sehr gut zuhören.

Das sei auch wichtig, denn das Museum habe einen "sensiblen Standort" als Teil eines Areals mit Park und Schloss Nymphenburg, Botanischem Garten sowie weiteren Einrichtungen. Gemeinsam mit der Schlösserverwaltung arbeite man daran, Synergien zu nutzen und Verbindungen zu schaffen. Ob es ähnlich wie das Kunstareal dereinst als ein "Natur-Kultur-Quartier" verstanden werden kann, steht noch in den Sternen. Auguste von Bayern sieht in Biotopia ein herausragendes Beispiel, "wie die Natur die Kunst inspiriert und umgekehrt". Sie wünscht sich noch mehr Unterstützer, denn auch wenn der Bau finanziert ist und der Freistaat dahinterstehe, bedürfe es eines weiteren Engagements für das Projekt seitens Privatpersonen und Stiftungen. Dabei sei Begeisterung ebenso wichtig wie Geld, "damit wir die Welt ein kleines bisschen besser machen". Denn sie ist überzeugt: "Biotopia hört nicht am Museumstor auf." Das ist mindestens so viel Mission wie Vision.

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