"System of a Down" und Armenien:Heavy Metal für die Revolution

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Serj Tankian, Sänger der Metal-Band "System of a Down" und der neue armenische Regierungschef Nikol Paschinjan

(Foto: AFP)

Die Musiker der US-Band "System of a Down" sind alle armenischer Herkunft. Ihr Sänger Serj Tankian unterstützt dort die samtene Revolution und denkt nach Sturz des Systems über Gerechtigkeit nach.

Von Julian Hans

Bevor in Armenien vor einem Monat die Massenproteste begannen, erinnerten sich die Bewohner der Hauptstadt nur an drei Anlässe, bei denen der Platz der Republik in Eriwan voll mit Menschen war. Das war, als 1992 der Krieg um Berg-Karabach begann, beim Besuch des Papstes vor zwei Jahren - und beim Auftritt der Alternative-Metal-Band System of a Down. Die Gruppe um Serj Tankian brachte 2015 am Gedenktag für die Opfer des Genozids an den Armeniern im Osmanischen Reich vor 100 Jahren das Publikum in der Hauptstadt zum Toben. Der Auftritt ist wohl das einzige Beispiel, wie eine Nation ihrer leidvollen Geschichte mit einem Heavy-Metal-Konzert gedachte.

Weil alle Musiker der US-Band armenischer Herkunft sind, erlebt vor allem die Jugend sie als frische Botschafter armenischer Identität jenseits des etwas angestaubten Bildes vom ersten christlichen Staat und der Opfer-Erzählung des Völkermords. Seit sie sich Ende der Neunzigerjahre auf einer Schule der Diaspora in Kalifornien zusammenfanden, haben sie mehr als 40 Millionen Alben verkauft, vier Mal waren sie für einen Grammy nominiert. In ihren Songs tauchen Motive aus der armenischen Volksmusik auf, und die Texte befassen sich immer wieder mit dem Genozid, vor dem ihre Vorfahren ins Ausland geflohen sind.

Der Musiker ist ein Volksheld, er hat die Armenier auf die Straße gebracht

Als Serj Tankian am Montag in Eriwan landete, wurde er empfangen wie ein Volksheld. Für die Jugend ist der Mann mit dem ergrauten Spitzbart das, was Charles Aznavour für die Generation ihrer Eltern war: ein Botschafter Armeniens. Der Chansonnier wurde als Sohn armenischer Eltern in Paris geboren. Der Metal-Sänger kam vor 50 Jahren in Beirut zur Welt, bevor die Familie in die USA auswanderte. Die Diaspora spielt eine große Rolle für die Entwicklung in dem kleinen Staat, der im Südkaukasus eingeschlossen ist von Georgien, Aserbaidschan, Iran und der Türkei. Das Land hat weniger als drei Millionen Bürger; mehr als acht Millionen Armenier leben seit dem Genozid über die ganze Erde verstreut. Ihre Zentren sind in Russland, Amerika, Frankreich und Libanon.

Während der Demonstrationen gegen die Vetternwirtschaft in der Regierung von Ex-Präsident Sersch Sargsjan las der Oppositionsführer Nikol Paschinjan jeden Abend vor Zehntausenden die Botschaften prominenter Diaspora-Armenier vor. Und Tankian war so etwas wie ihr Superstar. "Endlich wacht mein Land auf", schrieb er auf Facebook. Dass Paschinjans "samtene Revolution" in nur vier Wochen erfolgreich war und der Oppositionsführer am Dienstag zum Interims-Premier gewählt wurde, hat er auch dieser Mobilisierung zu verdanken. Es liegt wohl an der revolutionären Situation, wenn die Akteure gestern die Rollen tauschten: Während der neue Premier gefeiert wurde wie ein Rockstar, sprach der Musiker Tankian in Interviews nachdenklich über Gewaltenteilung und Gerechtigkeit im neuen Armenien.

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