Symbolpolitik:Von Katzen und Ketzern

Matteo Salvini füttert seine Social-Media-Kanäle gerade mit fluffigen Katzenbildern. Ob er ahnt, dass Katzen einst als satanisch galten? Über den Zusammenhang von Macht, Bild und Kuscheltier.

Von Bernd Graff

Dass man immer noch über Haustiere und Macht nachdenken muss, liegt daran, dass der Rechtspopulist Matteo Salvini seine Social-Media-Kanäle gerade mit fluffigen Katzenbildern flutet. Geliehene Katzen, wohlgemerkt. Die Fans des italienischen Innenministers liefern, und er postet. Das ist ein typisches Win-Win unserer Tage. Ob auf Facebook, Instagram oder Twitter: Zwischen die Fotobelege seiner restriktiven Flüchtlingspolitik und reichlich Selfie-Inkontinenz mischt Salvini, der kürzlich öffentlich von seiner Ex-Freundin mit einem Porträt als nackter Fleischberg abserviert wurde, nun Bilder von Bella Italias "bambini felini", von Italiens Katzenkindern. Hier will also wieder jemand mit geborgter Niedlichkeit lieb gehabt werden. Und ja, Salvini bedient sich dabei des ältesten Tricks der Politpropaganda: des Landesvaterkitschs. Böse Zungen der Opposition behaupten seither, Salvini wolle mit dem Billigwirbel von den Ungeheuerlichkeiten der italienischen Haushaltspolitik und dem allfälligen Streit mit der EU ablenken.

Was Salvini in seiner Fellseligkeit aber übersieht, ist zum einen, dass sich die Mächtigen, die Usurpatoren wie Gekrönten, die Gewählten wie angeblich Gottgewollten, überall auf der Welt und seit je in der Geschichte als gütige, gerechte und behütende Fürsorgefiguren präsentiert haben - wozu sie auch stets Streichelbares im Arm oder jedenfalls in der Nähe der Macht vorzeigten. Dabei gilt die Formel: Je brutaler die Herrschaft ist, desto liebreizender gerät das Bild davon. Tiere wie Kinder wurden und werden genutzt, was das Kindchenschema hergibt. Viele der Stalin-, Mao- und Hitler-Porträts bleiben ja ohne die unvermeidliche Kulleraugen-Begleitung unvollständig. Und noch nie hat irgendwas Knuddlig-Fideles im Weißen Haus einem Präsidenten, republikanisch wie demokratisch, geschadet. Oder Queen Elizabeth: Die hat mittlerweile mehr als 30 "Royal Corgis" im Laufe ihrer langen Regentschaft verschlissen.

Während sich also nahezu alle Mächtigen mit Knuddel und Küsschen samt Menschen- und Hundebabys als bieder und harmlos inszenieren, hat sich im Laufe der Jahrhunderte eine kleine Hierarchie bei den Schmusetieren für die Macht herausgebildet. Nicht alles, was tappst, ist herrscherfähig. Die einfache Faustregel in dieser emblematischen hiérarchie des valeurs, die Signore Salvini ganz offensichtlich nicht kennt, lautet: Hunde, diese treuen Allwetterbegleiter, gehen immer, unberechenbare Katzen im Tête-à-Tête mit der Macht gehen ganz und gar nicht.

Das ist in Europa etwa seit dem 13. Jahrhundert so. Damals eiferte Berthold von Regensburg, einer der bekanntesten Prediger des Mittelalters, gegen die Katzen. Er sah sie mit dem Teufel im Bunde, ihr Atem sei giftig - und überhaupt seien Katze und Ketzer dasselbe. Anschließend galten Katzen als satanisch. Dass sie egozentrisch, treulos und ungebunden seien: dieses Klischee hält sich bis heute. Auch wenn Katzenfelle in der Vergangenheit bei gewissen Gebrechen und Tattrigkeit halfen oder sich gut auf Mantelkragen machten: Die Katze blieb schlecht beleumdet. Selbst die Aufklärung vermochte den uralten Aberglauben um schwarze Katzen, die an bestimmten Tagen Unglück bringen oder Fuhrwerke verlangsamen sollen, nicht aufzulösen. Der italienische Arzt Pietro Mattioli, der in Trient einer Pestepidemie zum Opfer fiel, hielt Katzenhaare für die Ursache von Seuchen.

Und um dem Geheimnis der angeblich immer sicheren Pfotenlandung dieser Tiere auf die Spur zu kommen, hat die US-Airforce 1947 ein paar Katzen in die Schwerelosigkeit geschickt, nur um herauszufinden, dass deren Landereflexe in der Schwebe nicht funktionieren. Bezeichnend auch, dass diese Tiere, eben anders als die Hündin Laika, unser erstes Lebewesen im All, der vollständigen Vergessenheit anheim fielen. Die Filmaufnahmen zu den Schwerelosigkeitsversuchen aber sind superputzig, das Ergebnis bleibt in jeder Hinsicht fraglich, Signore Salvini hätte dennoch sicher keine Einwände, solange keine Fremdkatze in Italien landet.

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