Süddeutsche Zeitung

Sybil Gräfin Schönfeldt:Wie man ein Buch für dicke Männer macht

Lesezeit: 4 min

Und wie Astrid Lindgren wirklich war: Ein Gespräch mit der Journalistin und Erzählerin zu ihrem neunzigsten Geburtstag.

Interview von Roswitha Budeus-Budde

Es gab einmal Zeiten, da waren sie in jedem bürgerlichen deutschen Haushalt zu finden: die Benimm- und Erziehungsratgeber sowie die Kochbücher von Sybil Gräfin Schönfeldt, ob "Knaurs großes Babybuch" oder das "1 x 1 des guten Tons". Geboren 1927 als Tochter eines österreichischen Reichsgrafen, arbeitete sie als Journalistin bei den Zeitschriften verschiedener Verlage. Germanistik und Kunstgeschichte hatte sie studiert, seit 1957 war sie mit dem inzwischen verstorbenen Kaufmann Heinrich Schlepegrell verheiratet.

SZ: Sie haben immer eine Reihe verschiedener Tätigkeiten zusammengebracht, Journalismus, Übersetzungen, Gremienarbeit der Kinder- und Jugendliteratur .

Sybil Gräfin Schönfeldt: Nach der Geburt meines ersten Sohnes 1959 konnte ich nicht mehr fest in einer Redaktion arbeiten, ich musste ihn ja versorgen - ein schwieriger Entschluss, denn ich sollte gerade nach zehn Jahren in der Redaktion in die Chefetage der Constanze wechseln. Heute bin froh, dass meine Kinder mich veranlasst haben, als freie Journalistin zu arbeiten. Dieser Beruf ist ideal, du kannst dir aussuchen, was du machen möchtest.

Was wurde nun Ihre Aufgabe?

Von zu Hause aus übernahm ich das Lektorat in der Romanredaktion. In den Fünfzigern und Sechzigern wurden viele Romane zuerst in den Zeitungen in Fortsetzung gedruckt. Zusätzlich bekam ich die Aufgabe, "Frau Barbara" zu sein. In Hamburg gab es damals drei Frauen, die offiziell "Barbara" waren, die eine als Versuchsköchin von Maizena, die andere in der Zeit verantwortlich für die Aussiedler aus dem Osten und nun ich die Leserbriefredakteurin im Bauer-Verlag. Es war eine ungeheuer nützliche Schule, weil du merkst, was Leser bewegt, eine Zeitung zu kaufen. Wenn du von der Uni kommst, weißt du nicht, wer deine Leser sind. Die Millionen aus dem Osten, die damals alles andere als freundlich behandelt wurden, die wollten wissen, wie muss ich mich verhalten, damit ich mich so rasch wie möglich in die Gesellschaft einschmiegen kann. Diese Erfahrung hat den Universitätshochmut bei mir korrigiert.

Bald erschienen auch Ihre ersten Kochbücher und Benimmbücher.

Das begann schon im Bauer-Verlag. Wir hatten für eine Kochserie 3000 Mark zur Verfügung. Da stürzte Hans Heinrich Bauer ins Büro: "Wofür bezahl ich Sie, kochen kann jeder." Es war also der Geiz des Verlegers, dass ich in die Versuchsküche von Maizena ging und lernte, mehr als Reis zu kochen. Das kam mir zugute, als dann Heinrich Ledig-Rowohlt anrief. Er plane eine Serie "Koche froh mit rororo". Zu den Kochrezepten sollte immer auch etwas erzählt werden. Sein Vorschlag: "Machen Sie mal ein Buch für dicke Männer." Ein schrecklicher Titel, dachte ich - da fiel mir ein: "Kochbuch für die Frau vom dicken Mann". 50 000 Exemplare waren im Nu verkauft. Mein erstes Benimm-Buch war auch ein Auftrag, diesmal vom Bertelsmann Verlag - ich sollte für den Titel "1 x 1 des guten Tons", der noch aus den Dreißigerjahren stammte, einen neuen Inhalt verfassen.

Mussten Sie für diese Benimm-Bücher nicht auch Kritik einstecken?

In den Achtzigerjahren war das ein "Kotz-Kotz-Thema". Wenn du dann auch noch Gräfin heißt, haben die Leute sofort ein völlig falsches Bild. Ich weiß noch, wie ich in Hamburg nach der Währungsreform mein Lebensmittelmarkenheft zeigte, und gefragt wurde: "Dann wohnen Sie wohl auf einem Schloss, und fahren mit einer Kutsche?" "Nein! Ich möchte 100 Gramm Haferflocken!" Schon beim ersten Buch habe ich mit Distanz in den alten Benimmbüchern gelesen, geforscht, ob es Sinn macht, dass man manches aufbügelt, denn das Benehmen ist eine unabgesprochene Übereinkunft aller, wandelt sich täglich.

Später schrieben Sie auch zeitgeschichtliche Bücher, oft autobiografisch, wie etwa "Sonderappell", wo Sie Ihre Zeit beim Reichsarbeitsdienst schildern.

Es begann damit, dass Rudolf Walter Leonhard eine Serie in der Zeit initiierte, "Helm ab zum Studium", in der er junge Leute den Übergang vom Krieg ins normale Leben beschreiben ließ. Da bin ich mit einem fertigem Text zu ihm: "Bis jetzt haben nur Männer geschrieben, es war auch die Zeit der Frauen." Er hat den Artikel dann "1945 war das Jahr der Frau" genannt, und der Ueberreuter Verlag forderte mich auf, daraus ein Buch zu machen. Es brachte mir heftige Kritiken als Nestbeschmutzerin ein, und als es dann als dtv-Taschenbuch erschien, wurde ich vor ein Ehrengericht zitiert, wegen übler Nachrede. Die alte Seilschaft der Reichsarbeitsdienstführer, die inzwischen fast alle Lehrer waren, blieb aktiv.

Der letzte Baustein in Ihrer Biografie wurde die Kinder- und Jugendliteratur.

Die Jugendliteratur lief immer mit. Geprägt durch die klassische englische Jugendliteratur, die ich später auch ins Deutsche übersetzte, verabscheue ich den pädagogischen Zeigefinger und Schnulzen.

Wie begann Ihre Freundschaft mit Astrid Lindgren? Sie schrieben die erste Biografie in den Rowohlt Monografien.

Der Oetinger Verlag hatte im Hamburger Pressehaus auch sein Büro und ich lernte Astrid kennen, als sie dort zu Besuch war. Wir redeten nur über Bücher, und als ich die Monografie schrieb, merkte ich, wie wenig ich sie nach so vielen Jahren als Mensch kannte. Sie lud mich nach Schweden ein in ihr Sommerhaus, Anfang der Achtzigerjahre. Und erzählte mir zuletzt, dass sie nach Stockholm gegangen war, um da ihr uneheliches Kind zu bekommen. Davon hatte in Deutschland noch niemand gehört. In Schweden wurde es durch eine unautorisierte Biografie bekannt, und sie war wütend: "Es geht niemanden was an." Sie hatte dafür gesorgt, dass diese schwedische Biografie in Schweden blieb und nicht übersetzt wurde. Mich hat immer aufgeregt, dass dieses Thema aus der Sicht der Männer beschrieben wird - nicht, dass da ein älterer Mann eine junge Frau ausnutzt. Darum habe ich gerade noch einmal meine Erinnerungen über sie aufgeschrieben.

Sie werden nun neunzig Jahre alt, wie sehen Sie das Alter?

Ich bin bei alten Leuten aufgewachsen, meine Mutter starb sechs Wochen nach meiner Geburt, und darum hat mich immer gewundert, warum so ein Theater um das Alter gemacht wird. Es kommt von ganz alleine und in vielerlei Gestalt auf einen zu. Ich war einmal in einer Schulklasse, und ein Junge meinte: "No future" gibt es für mich nicht. Ich finde, das Leben im Alter kann ganz schön sein.

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Quelle:
SZ vom 13.02.2017
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