Seit September lebt die Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch auf Einladung des DAAD mit einem Stipendium der Martin-Roth-Initiative in Berlin. Sie verließ Belarus, nachdem die Einschüchterungen durch die Regierung von Präsident Alexander Lukaschenko zu bedrohlich geworden waren. Wann sie zurückkehren kann, ist völlig offen. Swetlana Alexijewitsch lebt zurückgezogen, gibt selten Interviews, und wenn sie doch einmal das Haus verlässt, erkennen sie die Wenigsten. Da geht es den Berlinern nicht anders als Michail Gorbatschow. Der sowjetische Generalsekretär wartete mal eine halbe Stunde auf sie. Was sich diese Alexijewitsch herausnehme, fragte er unwirsch, ehe er begriff, dass sie die ganze Zeit ein paar Meter entfernt stand. Gorbatschow, einlenkend: Sie sei eben klein. Alexijewitsch, unerschrocken: Er sei ja auch nicht gerade ein Titan. Es ist eine der wenigen heiteren Geschichten an diesem Nachmittag in Alexijewitschs Wohnung, einem Berliner Altbau mit imposanter Deckenhöhe, riesigem Kamin und endlosem Schreibtisch. Was mit Gorbatschow begann, könnte in Belarus sein Ende nehmen: das lange Sterben des Kommunismus. Mit ihren gewaltigen vielstimmigen Chroniken dokumentiert Swetlana Alexijewitsch dieses Ende nicht nur - sie beschleunigt es.
Swetlana Alexijewitsch:"Es könnte einen Bürgerkrieg geben"
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Die Revolution ist nicht vorbei, sagt die Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch in ihrem Berliner Exil. Sie erklärt, warum sie in den Ereignissen in Belarus eine Gefahr für die Stabilität Europas sieht.
Von Sonja Zekri
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