Der Philosoph Martin Heidegger hielt Fragen für „die Frömmigkeit des Denkens“, und der Lyriker Günter Eich beschrieb seine Arbeit einmal mit dem Satz: „Mit List die Fragen aufspüren hinter dem breiten Rücken der Antwort.“ Der Journalist Sven Michaelsen – er interviewt für das SZ-Magazin seit 13 Jahren berühmte Menschen – hat aus 777 Fragen ein Buch gemacht über Lebensthemen wie Liebe und Trennungen, Begehren und Treue, Einsamkeit und Alter. Seine These: Nicht Meinungen und Behauptungen führen zu Einsichten, sondern das kurvige Fragezeichen mit seiner Macht, die immer gleichen Gedankenschleifen in unserem Kopf zu durchbrechen und die toten Winkel unserer Wahrnehmung zu offenbaren. Die Fragen in seinem Buch „Muss man das Schöne in sich tragen, um es in der Welt zu erkennen? – Lebenskunst in 777 Fragen“ reichen von „Können Sie eher Sie selbst sein, wenn Sie mit Menschen des eigenen oder des anderen Geschlechts zusammen sind?“ über „Wie würde sich die Welt verändern, wenn die Penisgröße von Männern so sichtbar wäre wie die Brustgröße von Frauen?“ bis zu „Jemand gibt Ihnen einen Behälter mit allem, was Sie je verloren haben: Wonach suchen Sie zuerst?“ Wo denn bitte schön die Antworten blieben, wurde die Schriftstellerin Gertrude Stein einmal gefragt. Sie entgegnete: „Es gibt keine Antwort. Es wird keine Antwort geben. Es hat niemals eine Antwort gegeben. Das ist die Antwort.“
Sven Michaelsen: Muss man das Schöne in sich tragen, um es in der Welt zu erkennen? – Lebenskunst in 777 Fragen. Residenz Verlag, Salzburg 2024. 144 Seiten, 19 Euro.