Literatur:Wie es sich im Knast lebt

Literatur: Carl Cattermole, ehemaliger britischer Häftling, hat einen Survival Guide für den Knast geschrieben.

Carl Cattermole, ehemaliger britischer Häftling, hat einen Survival Guide für den Knast geschrieben.

(Foto: Urszula Soltys)

Wie man Salatdressing aus Dosenfisch herstellt und seine Schulden richtig bezahlt: Carl Cattermole war ein Jahr in einem britischen Gefängnis und hat dort einen Survival-Guide geschrieben.

Interview von Theresa Hein

Carl Cattermole, 30, aus London, wurde zu zwei Jahren Haft wegen Sachbeschädigung verurteilt. Als er nach einem Jahr freikam, schrieb er einen Survival-Guide für britische Gefängnisse. Ein Freund machte davon 1000 Kopien während einer Nachtschicht in einer Londoner Bank, und das Buch wurde unter Insassen ein Hit. Jetzt hat der Verlag Penguin Books eine überarbeitete Version veröffentlicht. Der Name Cattermole ist ein Pseudonym.

SZ: Herr Cattermole, was war der beste Rat, der Ihnen im Knast gegeben wurde?

Carl Cattermole: Schreib deine wichtigsten Telefonnummern auf einen Zettel, ganz oldschool. Nur dann kannst du die Menschen anrufen, die dich unterstützen können, wenn du total isoliert bist und eine der schlimmsten psychischen Erfahrungen deines Lebens machst. Du musst in diesen Momenten mit deinem Partner sprechen können. Oder mit deiner Mutter.

Ach, sind das Wichtigste nicht Zigaretten?

Nein. Tabak zum Tauschen verwenden, das war einmal. Rauchen ist in den Gefängnissen nicht mehr erlaubt. Für eine Zigarette, die du rauchst, musst du fünf Pfund Strafe zahlen. Tabak im Beutel kann dich mehrere Hundert kosten, das wagt keiner.

Was braucht man denn dann?

Hygieneartikel. Und Fisch. Dosenfisch.

Warum denn Dosenfisch?

Das Essen im Gefängnis ist grauenhaft. Dosenfisch hält sich gut. Und man kann die Soße, die übrig bleibt, gut für Salatdressing verwenden.

Und warum Hygieneartikel? Gibt es dort keine?

Doch, aber sie werden nicht mehr umsonst ausgegeben. Die Insassen müssen die Seife von ihrem Gefängnislohn kaufen. Sie brauchen aber auch Geld für zusätzliches Essen oder dafür, ihre Telefongespräche zu bezahlen. Viele kaufen dann eben keine Seife, weil es ihnen wichtiger ist zu telefonieren. Sie können sich vielleicht vorstellen, dass das auch nicht so toll für die Umgebung ist.

Jetzt werden viele Menschen sagen: Ein Gefängnis ist aber ja auch kein Fünf-Sterne-Hotel. Was sagen sie zu denen?

Wenn jemand etwas Falsches tut, dann sollten wir versuchen, die Menschen in Zukunft von solchen Taten abzuhalten. Das Justizsystem, wie es gerade in Großbritannien funktioniert und die aktuelle Situation in britischen Gefängnissen schaffen auch zukünftige Straftäter, die zum Zeitpunkt ihrer Bestrafung noch unschuldig sind oder nur kleinere Vergehen begangen haben.

Was haben Sie denn getan, um ein Jahr im Knast zu landen?

Ich hab' Graffiti gesprüht. Man hätte vermutlich auch Sozialstunden dafür bekommen können. Aber in meinem Fall wurde ich zu 26 Monaten Haft verurteilt und nach Pentonville in Islington gebracht, ein Gefängnis, das für Drogen und Gewalt berüchtigt ist.

Und wie war's?

Gefängnis macht jeden Menschen nur schlimmer. Menschen, die gewalttätig sind oder soziale oder psychische Probleme haben, in eine Umgebung zu bringen, in der es haufenweise Drogen und Gewalt gibt, ist doch keine gute Idee. Ich habe das Gefühl, in Großbritannien fängt man die Menschen, die durchs gesellschaftliche Raster fallen, in einem großen Eimer auf. Und der heißt Knast.

Wem sind Sie im Gefängnis begegnet?

Allen. In Pentonville sitzen Mörder genauso wie Menschen, die ihre Fernsehrechnung nicht bezahlt haben. Das ist sehr interessant: Du hörst zum Beispiel, dass jemand einen schrecklichen Mord begangen hat, vielleicht kennst du ihn sogar aus der Zeitung. Das ist dann aber vielleicht derjenige, der morgens deine Klamotten mitwäscht - eigentlich ganz nett. Gefängnis stellt alles auf den Kopf.

Und das haben Sie aufgeschrieben.

Ja, das Buch ist eine Art "Lonely Planet" für britische Gefängnisse geworden. Es geht darin um Dinge, an die man unbedingt denken sollte. Zum Beispiel: Vergiss nicht, deinen Handyvertrag zu kündigen, sonst hast du Schulden, wenn du rauskommst. Aber ich habe auch Rezepte und Anleitungen aufgeschrieben. Zum Beispiel, wie man Curry in einem Wasserkocher zubereiten kann und wie man einen Gefängnis-Klettverschluss herstellt.

Was zur Hölle ist ein Gefängnis-Klettverschluss?

Damit kann man Dinge zwischen zwei Zellen hin- und herbefördern. Man braucht dafür nur einen Turnbeutel und einen Kleiderbügel.

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