Suche nach Hintermännern von kreuz.net:Last der Indizien

Die Suche nach Verantwortlichen für die Hetze auf kreuz.net geht weiter. Jüngster Höhepunkt: Ein Kirchenmusiker und ehemaliger Gema-Manager ist von "Spiegel-TV" als einer der maßgebenden Hintermänner dargestellt worden. Der streitet am Telefon alles ab - er habe gar nicht die Zeit für "solchen Mist".

Rudolf Neumaier

Ist er's? Kann ein Mann, der sich so freundlich und unschuldig gibt wie der Musikwissenschaftler Gabriel Steinschulte verantwortlich sein für Geschichten, die mit Überschriften wie "Was haben Homo-Propagandisten auf einem Weihnachtsmarkt verloren?" und "Jetzt kommt der Homo-Kotsturm" aufbereitet werden? Gabriel Steinschulte, Kirchenmusiker in Köln und ehemaliger Gema-Manager, ist am Sonntag kurz vor Mitternacht von Spiegel-TV als einer der maßgebenden Hintermänner des Internet-Portals kreuz.net dargestellt worden. Am Montag um 10:47 Uhr landete auf der kreuz.net-Startseite der Beitrag mit oben zitierten Titeln, exakt eine Stunde später nahm Steinschulte im Auto auf dem Heimweg aus dem Büro sein Handy ab und sagte, er halte kreuz.net für widerlich, für unsäglich und für Schmuddelkram. Er fühle sich verleumdet.

Seit Jahren sind Polizei, Journalisten und Computerhacker hinter den Betreibern von kreuz.net her, das als Seite für "Katholische Nachrichten" auftritt und über Rechner in Amerika ins Netz gestellt wird. Die Justiz ermittelt wegen Volksverhetzung. Noch nie gab es so konkrete Hinweise auf die Täter wie seit dem Tod des TV-Moderators Dirk Bach, den kreuz.net in die "Homo-Hölle" verdammte.

Gabriel Steinschulte ist die Hauptfigur in einem Dossier, das der deutsche Lesben- und Schwulenverband (LSVD) recherchierte und der Staatsanwaltschaft schickte. Es enthält zahlreiche Indizien für Tat und auch Tatmotiv und belastet nebenbei Mitglieder des ultrakonservativen Netzwerks katholischer Priester zumindest als Mitwisser, dessen Führungsriege bereits seit längerem unter Verdacht steht. Steinschulte ist mit einem dieser Pfarrer, dem Netzwerkgründer Guido Rodheudt, eng verbunden.

Wirkte Steinschultes mit aufgesetztem Lachen vorgetragenes Dementi am Sonntag im Fernsehen noch etwas obskur, klingt er tags darauf am Mobiltelefon recht sicher. Als Inhaber von "fünf lästigen Ehrenämtern" und als freiberuflicher Kulturberater habe er gar nicht die Zeit für "solchen Mist". Als Urheber der "Generalverleumdung" vermute er Personen, die engagierte Vertreter des konservativen Kirchenlagers angreifen wollen. Dass kreuz.net aber von solchen Menschen betrieben wird, steht völlig außer Zweifel - auch für Gabriel Steinschulte.

"Eine Vollkopie kann sie vor mir aus ziehen"

Und wenn die Polizei seine Rechner konfiszierte? "Dann könnte ich ja nicht mehr arbeiten!", sagt er, "aber eine Vollkopie kann sie vor mir aus ziehen." Dort könnten dann womöglich die Urversionen von zehn Artikeln auftauchen, die kreuz.net vor Jahren mit der Autorenzeile "Von Dr. Gabriel M. Steinschulte, Köln" veröffentlichte und nach Angaben des Verfassers von anderen Seiten geklaut hatte, auf denen sie leider nicht mehr zu finden sind.

Der LSVD meint: "Vom Stil her sind seine Texte von vielen anderen der Website kaum zu unterscheiden." Steinschulte versichert jedoch, er habe die Seite kreuz.net seit ihrem Bestehen, also seit zehn Jahren kaum öfter als zehnmal angeklickt. Allerdings weiß er dafür über verschiedene Einzelheiten außerordentlich gut Bescheid. Zum Beispiel über liturgische Debatten und über die Postings des Pfarrers Hendrick Jolie, der im Forum von kreuz.net unter anderem römische Kleriker als "Gehirngnome" beschimpfte. Jolie musste sich dafür vergangene Woche bei der Bistumsleitung in Mainz rechtfertigen. Ob sie es duldet oder ahndet, dass ein Priester auf kreuz.net postet und damit die von der Bischofskonferenz verfemte Web-Seite aufwertet, hat sie noch nicht bekannt gegeben.

Offiziell finden die deutschen Bischöfe das Portal schlimm. Aber dazu, die Initiative "Stoppt kreuz.net" des Schwulen-Verlags Bruno Gmünder zu unterstützen, können sie sich nicht durchringen. Mehr Courage legen ihre Schweizer Kollegen an den Tag. Aus dem Bistum Chur verlautet: "In Bezug auf die Demaskierung der kreuz.net-Leute und die antichristliche Stoßrichtung dieses Portals haben wir gewiss gemeinsame Interessen und könnten uns gegenseitig helfen."

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