Süddeutsche Zeitung

StudiVZ-Gründer:Shooting-Star unter Sonderbeobachtung

Jung, hochintelligent und erfolgreich: Ehssan Dariani ist der Prototyp des Internetfirmengründers. Doch die Online-Gemeinschaft suchte nach Rissen in der perfekten Fassade und wurde fündig.

Jürgen Schmieder

Web 2.0 ist eine einfache Angelegenheit: Wen die Online-Community liebt, der ist erfolgreich; wen sie verschmäht, der geht unter. Der Deutsch-Iraner Ehssan Dariani war als Gründer des Studenten-Netzwerks "StudiVZ" einer der Shooting-Stars dieser Gemeinschaft, über eine Million Studenten sind registriert. Am Mittwoch wurde die Plattform an die Verlagsgruppe Holtzbrinck verkauft. Geschätzter Preis: zwischen 50 und 100 Millionen Euro.

Dariani nennt sich Gründer und "Projekt-Pusher" der Studenten-Seite. So schreibt er es in seinem Lebenslauf - der sich so liest, als stamme er aus dem Handbuch für High Potentials: 1980 in Teheran geboren, Abitur in Kassel, Wirtschafts-Studium an der Schweizer Elite-Universität St. Gallen. Mit 15 gewinnt er einen Preis bei "Jugend forscht" in der Kategorie Wissenschaft und Technik. Ab dem 16. Lebensjahr engagiert er sich politisch, erst bei den jungen Liberalen, später bei den jungen Grünen.

Er spricht sechs Sprachen, zu seinen Hobbys gehören Nervenheilkunde, Höhlenforschung und Irrsinn. Ein hochintelligenter Tausendsassa - der Prototyp eines Internet-Firmengründers. Das gelingt ihm im Oktober 2005, "StudiVZ" geht online.

Ein schöner Lebenslauf, alles wirkt perfekt. Genau wie Dariani selbst. Wer mit ihm spricht, wird nach fünf Minuten glauben, er sei seit Jahren mit ihm befreundet. Er ist charmant, redegewandt, schlagfertig. Bei dieser perfekten Fassade sucht man zwangsläufig nach Rissen. Genau das tat die Online-Gemeinschaft - und wurde fündig.

"Viel Mist gebaut"

Die Party zu seinem 26. Geburtstag kündigte Dariani auf der Homepage www.voelkischerbeobachter.de an. Auf der Internet-Seite war eine abgewandelte Form der Nazi-Zeitung zu finden, der Untertitel lautete: "Kampfblatt der Vernetzungsbewegung Europas". Auch im Netz gibt es eine kollektive Ethik, die politische Entgleisung wurde in Foren angeprangert. Es kam gar die Frage auf, ob Dariani einer rechtsextremen Gruppe angehöre.

Die Online-Community stellte den einstigen Liebling unter Sonderbeobachtung, "Don Alphonso", der einen prominenten Medien-Blog betreibt, präsentierte täglich Enthüllungen über Dariani und seine Plattform. Es erschienen Videos, auf denen Dariani zu sehen ist, wie er durch das Nachtleben von Berlin streift und in der U-Bahn Frauen belästigt.

Es gab Berichte über unseriöse Geschäftspraktiken und schlampigen Umgang mit Nutzerdaten. Männliche User sollen auf "StudiVZ" weibliche Mitglieder sexuell belästigt haben. Die mächtige Internet-Gemeinschaft rebellierte. Am 11. November begrüßte Dariani das millionste Mitglied - und hatte mit einem großen Imageschaden zu kämpfen. Zur gleichen Zeit suchte er einen Investor, deshalb war Schadensbegrenzung nötig. Er leistete online Abbitte für viele seiner grenzwertigen Aktionen: "Ich habe viel Mist gebaut."

Nach den Regeln des Web 2.0 wäre Dariani am Ende. Er hat jedoch rechtzeitig verkauft und viel Geld verdient. Die Community wird ihn für den Verkauf an einen Medienkonzern noch mehr hassen. Ihm wird das vermutlich egal sein, er ist nun reich.

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Quelle:
SZ vom 5.1.2007
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