Süddeutsche Zeitung

Hörbuch:Tage der offenen Tür

Der Jugendroman "Dinge, die so nicht bleiben können" in einer Hörbuchfassung, die mit dem hr-Hörbuchpreis ausgezeichnet wurde.

Von Florian Welle

Jens Wawrczeck, der schon die bekannte "Ismael-Trilogie" des australischen Kinder- und Jugendbuchautors Michael Gerard Bauer für die Hamburger Hörcompany eingesprochen hat, liest auch dessen neuestes Buch "Dinge, die so nicht bleiben können" mit einer Leidenschaft, die ihresgleichen sucht. Eine Leistung, die von der Jury der hr2-Hörbuchbestenliste kürzlich mit der Auszeichnung "Kinder- und Jugendhörbuch des Jahres 2021" belohnt wurde.

Seine unverwechselbare Stimme ist hier noch eindringlicher als man es von ihm gewohnt ist. Das mag daran liegen, dass die ursprünglich bei Hanser erschienene Geschichte um den leicht nerdigen Sebastian und die abgedrehte Frida mit einer Menge an Filmanspielungen von "Casablanca" über die Filmreihe "The Fast and the Furious" bis zu "The Big Lebowski" aufwartet. Anspielungen, die einen ausgewiesenen Cineasten wie Wawrczeck gefreut haben dürften: Für sein eigenes Hörbuchlabel Edition audoba liest er seit langem die Kurzgeschichten und Romane ein, die Alfred Hitchcock als Filmvorlagen gedient haben.

Frida ist ein wahres Improvisationstalent, intelligent, kreativ, spontan.

"Dinge, die so nicht bleiben können" ist eine typische Boy-meets-Girl-Story, erzählt aus der Perspektive des sechzehnjährigen Sebastian. Am Tag der offenen Tür der Landesuniversität begegnet er Frida. Die Chemie zwischen den Teenagern stimmt sofort, auch wenn Sebastian das nicht so recht glauben kann. Schließlich wird er nicht müde zu betonen, er sei ein "stinknormaler Typ". Frida hingegen hat das gewisse Etwas. Vor allem ist sie nicht auf den Mund gefallen, nur mit der Wahrheit über sich und ihr Leben nimmt sie es nicht allzu genau. Kurz: Sie ist ein wahres Improvisationstalent, intelligent, kreativ, spontan. "Jetzt haben wir offensichtlich das populäre Genre Liebeskomödie, Katastrophenfilm, Horrorstreifen, Splatter hinter uns gelassen und sind in die wundersame Grauzone eines astreinen Fantasyfilms gewechselt", kommentiert Sebastian sein von Frida ausgelöstes Wechselbad der Gefühle, das immer wieder abgefedert wird durch seinen besten Freund und Sidekick Tolly, der ihn zum Tag der offenen Tür begleitet hat. Michael Gerard Bauer lotet in seinem klugen Roman aus, wie gut sich Menschen in wenigen Stunden wirklich kennenlernen können. Was gibt man von sich preis, was verschweigt man? Sich zu öffnen bedeutet schließlich, sich verletzbar machen.

Sehr lange Zeit beherrschen die wunderbar pointierten Gespräche der Protagonisten das Geschehen. Man hat schlicht Fun. Erst ganz allmählich offenbaren Frida und Sebastian auch ihre andere, dunkle Seite. Dabei stellen sie fest, dass sie mehr verbindet, als ihnen lieb sein kann. Nach dem Drogentod ihrer Mutter wuchs Frida als Heimkind auf, erlebte Missbrauch. Auch Sebastian kennt die Gefahr von Drogen, sein älterer Bruder, der ihn über seinen Tod hinaus verfolgt, war abhängig und gewalttätig. Jens Wawrczeck liest die vielschichtige Geschichte zunächst mit Verve und sprühendem Witz, später wird er immer zögerlicher. Die Enge um Brust und Kehle, die die Teenager bei ihren Offenbarungen befällt, wird hörbar. Das Ergebnis ist ein zwischen Lebenslust und Lebenslast perfekt ausbalanciertes Hörerlebnis. (ab 13 Jahre)

Michael Gerard Bauer: Dinge, die so nicht bleiben können. Aus dem Englischen von Ute Mihr. Gelesen von Jens Wawrczeck. 1 mp3-CD. 6 Stunden 13 Minuten. Hörcompany, Hamburg 2021. 13,95 Euro.

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