"Stromberg - der Film" im Kino:Papa in der Krise

Lesezeit: 3 Min.

Christoph Maria Herbst in "Stromberg - Der Film". (Foto: dpa)

Jenseits der Grenzen des Büroalltags: Die Fernsehserie "Stromberg" wird leinwandtauglich und damit aus dem Kleinkrisenmanager ein Großkrisenmacher. Christoph Maria Herbst gibt wieder den Albtraum-Chef.

Von Philipp Stadelmaier

Papa Stromberg gibt erst mal ein Bier aus. Für seine Mitarbeiter im Bus, die mal nicht grauen Büroalltag, sondern eine tiefgraue, winterkalte Tristesselandschaft ertragen müssen, deren Attraktionen vom übereifrigen Kollegen am Mikro aufgezählt werden: Hier ein riesiger Schweineschlachthof, dort die blutigen Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges, und die Pinkelpause machen sie vor einem gigantischen Atommeiler.

Die Stimmung ist im Eimer. Bier ist das Einzige, was hilft, und Stromberg (Christoph Maria Herbst) weiß das - aus Erfahrung. Denn wer sein Leben in einem Büro wie jenem verbringt, in dem die Mitarbeiter der Abteilung "Schadensregulierung" der Capitol Versicherung ihr Dasein fristen, und dann auch noch unter seiner väterlichen Leitung, der kennt schon die bedrückende Atmosphäre, die sonst nur Weltkriegsopfern und Schweineschlachthäusern vorbehalten ist. Die Grenzen des Büros sind die Grenzen ihrer Welt - das zeigt sich gerade beim Betriebsausflug.

Schadensregulierung, Krisenbewältigung

Im Büro spielte sich schon die Fernsehserie ab, die bis 2012 in fünf Staffeln auf ProSieben lief und jetzt - teilweise finanziert von "Stromberg"-Fans durch Crowdfunding - mit dem Kinofilm von Arne Feldhusen fortgesetzt wird, das Drehbuch stammt vom Serienautor Ralf Husmann. Wenn hier nun die Belegschaft das Büro verlässt und zum großen Firmentreffen der Captiol-Versicherungsgruppe fährt, dann deswegen, weil Stromberg von einer bevorstehenden Entlassungswelle erfährt - die Feier könnte eine Möglichkeit sein, die Mitarbeiter abzulenken, vor allem aber, den eigenen Job zu retten. Mit anderen Worten: Schadensregulierung, Krisenbewältigung.

Kurzkritiken zu den Kinostarts der Woche
:Popcorn, Porno und Potenzial

Lars von Trier macht nymphomanisches Kino und George Clooney ein Buddy-Abenteuer, das nicht alles aus der Story um den Nazi-Kunstraub rausholt. Auch "Stromberg" ist nicht ganz auf der Höhe. Für welche Filme sich der Kinobesuch lohnt - und für welche nicht.

Von den SZ-Kinokritikern

Dafür muss sich der Papa schwer ins Zeug legen. Denn der Krisenherd ist nicht mehr länger nur das Büro, sondern überall. Als der Busfahrer, ein übermüdeter, totenschädelbleicher Angestellter bei "Arschloch-Reisen" (Stromberg) seinen zum Berufsbild passenden Aufgezehrtheitspathos auslebt und partout nicht weiterfahren will, muss eben Stromberg ran und die Belegschaft zum Hotel kutschieren, in dem die Firmenfeier stattfindet.

Auch da lässt die Krise nicht lange auf sich warten. Frau Berkel, eine alte Konkurrentin Strombergs, zeigt einen ziemlich bescheuerten, menschelnden Werbespot, den sie sogar "mehrfach getestet" habe. Stromberg weiß natürlich, dass das nichts heißt: "Die Atombombe wurde auch zweimal getestet." Und Ernie (Bjarne Mädel), der die Belegschaft schon im Bus mit Depri-Bildung genervt hat, lässt jetzt ein Streichquartett von Schumann spielen: "Mit solcher Musik vertreibt man normalerweise Junkies aus dem Hauptbahnhof." Zum Glück hat Stromberg seinen eigenen Werbeclip mitgebracht, der die Belegschaft zwar desavouiert, aber einen Hit-Song hat er auch dabei: "Lass das mal den Papa machen / der Papa macht das gut." (Das Lied stammt von Stefan Raab.) Die Leute sind begeistert.

Brot und Spiele für dem Untergang geweihte Arbeitnehmer - das können nicht alle. Ebenso rar ist jene andere große Stromberg'sche Kernkompetenz, nämlich die gnadenlose Benennung von Risikofaktoren: Einerseits Frauen (in Führungspositionen) oder die Türken, "eine Risikogruppe an sich".

Probleme "anfassen wie Titten"

Danke, Stromberg, dass das mal jemand ausgesprochen hat! Der Mann macht deutlich, dass man Probleme "anfassen muss wie Titten". Das ist genau sein Ding. Da geht es weder um Kompetenz, und schon gar nicht um Titten, Frauen oder Türken, sondern darum, dass Krisen einfach in eine nette Metapher gepackt werden müssen, um sie vergessen zu können. Die Chefs sind beeindruckt. Bestimmt wird er der Belegschaft so auch die bevorstehenden Rationalisierungen verkaufen können.

"Stromberg - Der Film" im Kino
:Ein Ekel wie du und ich

Fernseh-Großmaul "Stromberg" wird zum Kino-Helden. Warum er so beliebt ist, dass die Fans eine Million Euro für die Filmproduktion aufbrachten? Weil der Schöpfer der Figur ein geniales Rezept und mit Christoph Maria Herbst eine geniale Zutat hat.

Von Hans Hoff

Im Sinne des Wortes wird Stromberg die Titten nie anpacken. Jedenfalls nicht die, die man ihm auf der Vorstands-Sexorgie im nahegelegenen Schloss kredenzt - wahrscheinlich erinnert er sich an den Skandal um die Lustreise von Ergo-Vertretern nach Budapest. Von da ist es dann nur noch ein kleiner Schritt, bis aus dem Kleinkrisenmanager ein Großkrisenmacher wird, der den Aufstand gegen die Chefetage anführt und sich dann der wichtigen gesellschaftlichen Probleme annehmen will.

Bald ist er die neue Ikone des deutschen Protestbürgertums, das gegen den Kapitalismus, Bahnhöfe, Anti-Homo-Petitionen und Massenüberwachung auf die Straße geht. Es ist an diesem Punkt, an dem das "Wir sind Stromberg"-Gefühl, das Stromberg mit einem "Ich bin Leute" quittiert, seinen Höhepunkt erreicht. Und dieses "Wir" trägt statt Che Guevara oder Guy Fawkes nun eben Stromberg.

Es ist ein "Wir" von Fernsehserienguckern, für die Politik dann auch so eine Kleinkrise auf der Mattscheibe ist, die Schadensregulierer wie Stromberg braucht: Der Papa macht das schon. Und da hat man den Eindruck, als hätte Stromberg, der Revoluzzer, kapituliert. Wenn man hier konsequenzlos aneinandergereihte Gags ohne Aufmerksamkeit folgen kann, da die besten Sprüche längst im Netz stehen, dann bleibt nicht nur der Film, sondern auch Stromberg letztlich hinter seinem Potenzial zurück. Wofür er zum Schluss von Frank-Walter Steinmeier einen dankbaren Händedruck erhält.

Stromberg - Der Film , D 2014. - Regie: Arne Feldhusen, Mit Christoph Maria Herbst, Bjarne Mädel. NFP, 100 Min. In deutschen Kinos ab dem 20. Februar 2014.

© SZ vom 21.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: