Streit um Nobelpreisträger:Handke über Srebrenica

Die kroatische Autorin Alida Bremer hat im Online-Magazin Perlentaucher dem Schriftsteller Peter Handke vorgeworfen, "einen Genozid offen zu leugnen". Sie verweist auf ein bisher unbekanntes Interview Handkes, das im Herbst 2011 in der Zeitschrift Ketzerbriefe publiziert wurde. Darin äußert er sich über das Massaker in Srebrenica, Juli 1995: "Mir kommt es so vor, als sei es ein Racheakt von serbischer Seite gewesen. Nicht, dass ich es verurteilen würde, aber ich kann es auch nicht uneingeschränkt gut heißen. Jetzt kommt man ständig mit den 8000 Opfern und dem angeblich schlimmsten Massaker seit dem Zweiten Weltkrieg." In einem in der Libération und der Süddeutschen Zeitung im Juni 2006 veröffentlichten Text hatte Handke selbst das Massaker von Srebrenica als "das schlimmste Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das in Europa nach dem Krieg begangen wurde" bezeichnet. Laut Ketzerbriefe sagte er in dem in Paris geführten Gespräch, über die "Mütter von Srebrenica": "Denen glaube ich kein Wort, denen nehme ich die Trauer nicht ab. Wäre ich Mutter, ich trauerte alleine. Es gab die Mütter von Buenos Aires, sehr richtig, die hatten sich zusammengeschlossen und die Militärdiktatoren gefragt, was mit ihren Kindern geschehen ist. Aber diese billige Nachahmung ist scheußlich. Es gibt die Mütter von Buenos Aires, und das genügt."

Konfrontiert mit dem Interview lässt Handke über seinen Verlag Suhrkamp mitteilen: "Ich habe das Gespräch nicht gegengelesen und auch nicht autorisiert. Es entspricht nicht dem von mir Gemeinten. Ich kann mir auch nicht vorstellen, diese Sätze in dieser Form so gesagt zu haben. Für mich gilt das, was ich schriftlich festhalte. Dem habe ich nichts und dem wollte ich nichts hinzufügen. 2006 habe ich geschrieben: 'Es handelt sich bei Srebrenica um das schlimmste Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das in Europa nach dem Krieg begangen wurde.' Ich möchte hinzufügen: selbstverständlich ist durch den Genozid unendliches Leid entstanden, welches ich nie bestritten habe. Ein Leid dass durch nichts auszulöschen ist. Ich bedaure meine Äußerungen, sollten sie etwas anderes vermittelt haben."

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