Streit um Mohammed-Karikaturen:"Die anderen haben gewonnen"

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"Was darf die Satire? Alles." Meinte Tucholsky. Das ist jedoch nicht überall akzeptiert. So sorgt eine Karikaturen-Serie zum Islam, die inzwischen in einigen europäischen Zeitungen veröffentlicht wurde, gerade in Teilen der arabischen Welt für massiven Aufruhr und Boykott-Aufrufe.

bgr

Der Streit um die dänischen Mohammed-Karikaturen hat sich ausgeweitet. Inzwischen gibt es Massendemonstrationen in islamischen Ländern, aber auch erneute Veröffentlichung der inkrimierten Zeichnungen in Frankreich.

"Beklag Dich nicht, Mohammed, wir alle werden hier lächerlich gemacht." (Foto: Foto: AFP)

In Paris begründete die Boulevardzeitung "France-Soir" den Abdruck der von Muslimen in aller Welt heftig kritisierten zwölf Karikaturen auf der Titelseite mit dem Satz: "Ja, man hat das Recht, Gott zu karikieren."

So zeigt eine Zeichnung Buddha, den christlichen und jüdischen Gott sowie den moslemischen Religionsstifter Mohammed gemeinsam auf einer Wolke.

Der Gott der Christen wendet sich dabei an den islamischen Propheten und sagt: "Beklag Dich nicht, Mohammed, wir alle werden hier lächerlich gemacht." In einem Kommentar auf der Titelseite begründet die Redaktion des "France Soir" ihre Entscheidung, die zwölf Karikaturen zu veröffentlichen. "Weil kein religiöses Dogma die Auffassungen einer demokratischen und säkularen Gesellschaft bestimmen kann, veröffentlicht 'France Soir' die umstrittenen Karikaturen." "France Soir" widmete den Zeichnungen nun zwei Innenseiten.

Chefredakteur Serge Faubert schrieb zudem: "Schluss mit den Belehrungen dieser bigotten Reaktionäre! Diese verurteilten Karikaturen enthalten nichts, was eine rassistische Absicht ausweist oder eine Gemeinschaft als solche verunglimpfen will." Er fügte hinzu: "Nein, wir werden uns niemals für die Freiheit, unsere Meinung zu sagen, uns Gedanken zu machen und Überzeugungen zu haben, entschuldigen."

Die Zeichnungen waren im September in Dänemark publiziert und vor kurzem in Norwegen nachgedruckt worden.

Die dänische Zeitung hat sich zwar inzwischen für die Veröffentlichung entschuldigt, die Proteste dagegen reißen jedoch nicht ab.

Zuletzt haben tausende Palästinenser gegen die Karikaturen demonstriert. In Saudi-Arabien werden dänische Produkte inzwischen aus Protest boykottiert.

In Tunis hatten 17 Innenminister aus den Ländern der Arabischen Liga am Vorabend von der Regierung in Kopenhagen die Bestrafung der Verantwortlichen für die schon vier Monate zurück liegende Veröffentlichung im dänischen Blatt "Jyllands-Posten" verlangt.

In der jemenitischen Hauptstadt Sanaa demonstrierten zehntausende Frauen gegen die dänische Zeitung. Wütende Studentinnen verbrannten dänische Fahnen. Sie trugen Transparente mit Aufschriften wie "Eine Beleidigung unseres Propheten ist eine Beleidigung für uns" und "Unterstützt den Islam durch den Boykott dänischer Produkte".

Der Chefredakteur von "Jyllands-Posten", Carsten Juste, sagte zu den massiven Straßenprotesten, Boykottaktionen sowie regierungsamtlichen Angriffen aus arabischen Ländern in einem Interview mit "Berlingske Tidende": "Ich muss zutiefst beschämt zugeben, dass die anderen gewonnen haben."

Er habe vor vier Monaten niemals die Zustimmung zum Abdruck der Zeichnungen gegeben, wenn ihm die Folgen damals schon klar gewesen wären.

Das Blatt wollte nach eigenen Angaben mit den Zeichnungen ein Zeichen gegen zunehmende Selbstzensur aus Angst vor islamistischem Druck setzen.

Dänemarks Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen meinte ebenfalls in "Berlingske Tidende", sein Land müsse es nun "mit nicht steuerbaren Kräften" aufnehmen. "Es erfordert einen ganz besonderen Einsatz, um diese wieder dämpfen zu können", sagte Rasmussen weiter.

Er warnte vor allen Aktionen gegen muslimische Zuwanderer in Dänemark. Das Fernsehen berichtete dazu von per SMS verbreiteten Boykottaufrufen gegen islamische Geschäfte in Dänemark, hinter die sich auch zwei prominente Abgeordnete der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei (DVP) stellten.

Diese agiert parlamentarisch als Mehrheitsbeschaffer für die Minderheitsregierung von Rasmussen.

Unterdessen hat der Deutsche Journalistenverband (DJV) den Nachdruck der Mohammed-Karikaturen auch in deutschen Zeitungen kritisiert.

Entscheidend sei die Ziffer 10 des Pressecodex, sagte DJV-Sprecher Hendrik Zörner. Danach seien "Veröffentlichungen in Wort und Bild, die das sittliche oder religiöse Empfinden einer Personengruppe nach Form und Inhalt wesentlich verletzen können, mit der Verantwortung der Presse nicht zu vereinbaren".

Der Presserat habe in ähnlichen Fällen bereits Rügen erteilt, in denen allerdings das christliche Empfinden verletzt wurde.

Er räumte ein, die Zeitungen könnten mit der Chronistenpflicht argumentieren. Es sei verständlich, wenn sie den Lesern zumindest zeigen wollen, worum es bei dem Konflikt gehe.

Der Presserat dagegen reagierte zurückhaltend. Wenn Beschwerden über die Abdrucke eingingen, werde man prüfen, ob sie gegen den Pressecodex verstoßen, so Arno Weyand vom Presserat. Da die Zeitungen aber nicht Urheber der Karikatur seien, könne man ihnen möglicherweise nichts vorwerfen. Eine Rüge des Presserats zu diesem Zeitpunkt sei auf jeden Fall ausgeschlossen.

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