Süddeutsche Zeitung

Streit um Erfolgsmusical:Kein Recht auf Jesus

Die Popsängerin Peaches schockiert mit ihren provokanten Sex-Texten. Jetzt will sie Webbers Musical "Jesus Christ Superstar" neu auf die Bühne bringen - und darf es nicht.

Helmut Mauró

Die kanadische Elektroclash-Ikone Merrill Beth Nisker, bekannt als "Peaches", provoziert mit einem outriert-sexuellen Selbstbewusstsein. Am Berliner Hebbel-Theater wollte sie ein Elektro-Rap-Recital mit der gestrafften Version von Andrew Lloyd Webbers Erfolgsmusical "Jesus Christ Superstar" auf die Bühne bringen. Webbers deutsche Urheberrechtsvertreter haben dies nun - laut Guardian schon im Vorfeld - verhindert.

Peaches, die sich als Musikerin wie als Performance-Künstlerin versteht, äußerte sich auf Twitter maßlos enttäuscht darüber: "Die Rechteinhaber sagen, das Projekt sei für sie in der konzipierten unkonventionellen Form ohne Interesse."

Peaches steht damit unfreiwillig in der Tradition einer jüngeren Urheberrechtsproblematik, die vor allem von sehr gut verdienenden Rechte-Erben ausgelöst wurde. Bereits im Februar 1966 verschickte Dr. Franz "Bubi" Strauss, der Sohn von Richard Strauss, ein Schreiben an Regisseure und Intendanten, in dem er auf den neuen Paragraph 14 des Urheberrechts hinwies: "Der Urheber hat das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden."

Franz Strauss hatte sich über Wieland Wagners "Salome"-Inszenierung in der Wiener Staatsoper echauffiert: "Das geht doch net, dass man die Salome wie eine Sau absticht!" Und so ließ Strauss vom Mainzer Musikverlag B. Schott's Söhne ein Rundschreiben verschicken mit dem Inhalt, er wolle in Zukunft "die jeweilige Aufführungsgenehmigung bei Inszenierungen durch Gastregisseure von seiner Zustimmung zu dem in Aussicht genommenen Regisseur abhängig machen".

Auch den Regisseur Peter Mussbach traf der Bannstrahl der Strauss-Erben. Sie untersagten dem Ulmer Theater, ihn für eine Salome-Inszenierung zu engagieren. Zuvor allerdings hatte sich Mussbach mit seiner Lesart von Wagners "Götterdämmerung" gerichtlich durchgesetzt und eine Stärkung des Urheberrechts für Regie bewirkt. Kurioserweise hat er in der Eigenschaft als Librettist später selber die Berliner Uraufführung von Ruzickas Hölderlin-Oper untersagen lassen wollen - was ihm nicht gelang.

Vielleicht wäre es der Kunst zuträglich, die Urheberrechtsfrist von 70 Jahren zu verkürzen ...

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SZ vom 18.02.2010/lmne
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