Streetart im Ramallah:Mein Freund, der Feind

Der französische Straßenkünstler "JR" verwertet ganze Häuserfronten für seine Fotoinstallationen und beweist so, dass kein Medium zu alt für eine Neuerfindung ist. In Ramallah verbindet er mit seiner Kunst nun auch Menschen - über ethnische, religiöse und räumliche Grenzen hinweg.

Johannes Schnös

6 Bilder

Pating photo self portraits in Ramallah as part of the art projec

Quelle: dpa

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Der französische Künstler "JR" zeigt, dass kein Medium zu alt für eine Neuerfindung ist. Der Fotograf verschmilzt in seinen Werken klassische Fotografie mit popkultureller Street-Art. In Ramallah verbindet er mit seiner Kunst nun auch Menschen.

Kaum ein Ort ist empfänglicher für politische Botschaften als Ramallah, weswegen der palästinensische Verwaltungs- und Parlamentssitz im Westjordanland eine ideale Bühne für "JR" darstellt. Auf großflächigen Schwarz-Weiß-Aufnahmen zeigt der französische Straßenkünstler sowohl Menschen aus Israel, als auch aus den konfliktbeladenen Palästinensergebieten. Das Projekt trägt den Namen "Time is now - Yalla" (arabisch für "Auf geht's").

Text/Bildauswahl: Johannes Schnös

Pating photo self portraits in Ramallah as part of the art projec

Quelle: dpa

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Die Botschaft ist einfach: Die Menschen auf der anderen Seite sind Menschen wie Du und ich. Sie sind keine Feinde. Die Leute auf den Fotos sind zwar anonym, doch sie bleiben es nicht und werden realer, je mehr Menschen sie sehen. So überwindet der Betrachter die Grenze zwischen sich und den Nachbarn auf der anderen Seite, auch wenn die echte Trennung bestehen bleibt. JRs Street-Art erreicht damit eine völkerverbindende Dimension.

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Quelle: AFP

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JR macht Kunst für Städte und Städter: Indem er seine Portraits im urbanen Raum postiert, ermuntert er sein Publikum, die paradoxe Anonymität der Städt zu überwinden. Denn sobald sich der Betrachter mit der Identität der Porträtierten auseinandersetzt, interpretiert er zugleich seine eigene Identität in der urbanen Masse.

Pating photo self portraits in Ramallah as part of the art projec

Quelle: dpa

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JR ist längst als einer der Großen in der Street-Art-Szene anerkannt, doch er ist kein Straßenkünstler im herkömmlichen Sinne: Es geht ihm mehr um eine Auseinandersetzung der Menschen mit seinen Werken, als um Provokation oder Verewigung. Das zeigt sich an seiner Arbeitsweise - meist tapeziert er seine Werke an die Wände, aber er sprayt sie nicht oder konserviert sie anderweitig. Seine Kunst ist daher vergänglich.

Pating photo self portraits in Ramallah as part of the art projec

Quelle: dpa

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JRs Kunst erzeugt nicht immer Zustimmung: Als er nach der Jasminrevolution Porträts in Tunis aufhängte, rissen die Menschen die Fotos verärgert von der Wand. "Wir leben in einem Land, in dem es fünfzig Jahre lang nur ein einziges Porträt auf den Straßen gab", sagt einer der Aktivisten unter Anspielung auf den gestürzten Machthaber Zine el-Abidine Ben Ali.

Doch auch aus diesem Feedback der Ablehnung zieht der französische Künstler wichtige Schlüsse für sich. Denn auch die Tunesier setzten sich mit ihrer Identität auseinander, auch wenn sie die Bilder währenddessen abrissen. Zumindest seinen tunesischen Helfern bereitete JR mit der Aktion zudem Freude. Die Aufnahme zeigt einen Assistenten des Künstler, der stolz mit einem Portrait von sich selbst posiert.

French Art Project Displays Images On The West Bank Wall

Quelle: GettyImages

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Der Nahe Osten ist für JR schon seit Längerem bekanntes Terrain: Bereits im Jahr 2005 hatte er ein Projekt in Israel und Palästina realisiert. Für "face2face" (http://face2faceproject.com) porträtierte der Straßenkünstler Einheimische, unabhängig von Religion oder Staatsangehörigkeit und bat sie darum, für die Kamera Grimassen zu ziehen. Mit den Konterfeis plakatierte er später die Mauer, die Israel und das Westjordanland trennt. Bereits damals ging es JR um Völkerverständigung: Auch die Menschen auf der anderen Seite der Mauer lachen und machen Blödsinn. Aus Hassobjekten werden Nachbarn.

© sueddeutsche.de/js/pak
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