"One Night Off" bei Amazon Prime Video:Dafür ein Mutterkreuz

"One Night Off" bei Amazon Prime Video: Würde alles für sein Baby tun: Emilio Sakraya als Noah.

Würde alles für sein Baby tun: Emilio Sakraya als Noah.

(Foto: Tom Trambow/Amazon)

Ein junger Vater prügelt sich mit einem Obdachlosen und gibt auch sonst alles für sein Baby. So blöd kann Pseudofeminismus sein: "One Night Off", Amazons erster deutscher Spielfilm.

Von Philipp Bovermann

Elyas M'Barek ist wieder jung! Hurra! Der 25-jährige Emilio Sakraya, der die Hauptrolle in "One Night Off" spielt - und kürzlich erst in "Die Rettung der uns bekannten Welt" -, sieht so aus, als entstammten er und der inzwischen 39-jährige M'Barek derselben Produktreihe einer geheimen Klonfabrik für Filmschauspieler. Ob es wohl weitere Elyas M'Bareks geben wird, wenn Sakraya in das Alter kommt, in dem früher nur weibliche Schauspielerinnen geklont und ersetzt wurden? Ist das jetzt ein Sieg für den Feminismus?

Vermutlich schon. Über "One Night Off" wird man das aber wohl eher nicht sagen können. Dabei gibt sich die erste deutsche Spielfilmproduktion von Amazon eigentlich Mühe: Es geht um einen sogenannten "modernen" (also als solchen existenten) Vater. Noah, gespielt von Emilio Sakraya, liebt Musik. Er liebt aber auch seine Freundin. Also bekommen die beiden ein Baby - während eines Deichkind-Konzerts auf einem Festival, mit einem langhaarigen, headbangenden, vor Panik kreischenden Arzt als Hebamme im Sanitätszelt. So bescheuert geht es tatsächlich los, aber der Vollständigkeit halber hier noch der Plot: Emilio muss sich zwischen seinem Baby und der Musik entscheiden. Soll er auf den Kleinen aufpassen, wie er es seiner Freundin versprochen hat, als Testlauf für seine Elternzeit? Oder doch mit seinem zugekifften Kumpel auf ein letztes Konzert gehen, bevor der heißgeliebte Musikclub zugemacht wird?

Die Schwägerin bekommt einen gut gebauten Feuerwehrmann ab

Spulen wir zur moralischen Lektion vor: Noah wird in Versuchung geraten, er wird sich überreden lassen und in den Club gehen, mit Baby, und er wird dabei über sich hinauswachsen, ein richtiger Vater werden. Indem er sich zum Beispiel mit einem Obdachlosen in einem Müllcontainer um einen Beutel abgepumpter Muttermilch prügelt. Und auf ein großes Stahlgerüst klettert, um seine verspannte, zickige, durchgeknallte Schwägerin zu retten. Trotz Höhenangst! Der Junge gibt alles für sein Baby. Was wollt ihr noch, Feministinnen?

"One Night Off" bei Amazon Prime Video: Party mit Baby? Klar, kein Problem. Einfach umschnallen, findet Noah.

Party mit Baby? Klar, kein Problem. Einfach umschnallen, findet Noah.

(Foto: Tom Trambow/Amazon)

Da fiele einem schon was ein. Zum Beispiel wäre es vielleicht eine Idee gewesen, die einzige echte Frauenfigur in einem Film, der mutmaßlich auch Frauen ansprechen soll, nicht als hysterische Männerfresserin anzulegen. Die von Carol Schuler gespielte Schwägerin, eine Law&Order-Anwältin beim Kinderkanal (eines der wenigen echt lustigen Details), rast mit ihrem Mercedes-SUV durch die Nacht, um Noah zu finden und bei ihrer Schwester zu verpetzen, denn die weiß natürlich nichts vom Ausflug ihres 20 Wochen alten Sohns in den Musikclub. Der Film meint es gut mit der Schwägerin: Sie bekommt unterwegs einen gut gebauten Feuerwehrmann ab und fällt in einen Kübel voller Sangria, das ist es ja bekanntermaßen, was überspannte Zicken brauchen. Die junge Mutter des Babys hat in "One Night Off" hingegen weder Sorgen noch Nöte noch Screentime: Sie taucht nur auf, um geküsst zu werden, zu gebären und anschließend gelegentlich lächelnd durch Räume zu wandeln. Dafür ein Mutterkreuz.

Der eigentliche Held ist das Baby

Wer solche Kritik nörglerisch, gar überspannt und zickig findet, kann den Film eventuell trotzdem genießen. Auch wenn er halt einfach nicht gut ist, um das mal gesagt zu haben. Amazon rührt den Querschnitt von fast allem, was auch beim Streaming-Konkurrent Netflix gut funktioniert, zu einer dicken, zuckerigen Blödsoße zusammen: Ein bisschen Herzschmerz, ein paar grobschlächtige Araber und ein Auto mit Unterbodenbeleuchtung, was man im deutschen Film halt so für "jung" hält, und natürlich ganz viel moralische Läuterung - Menschen, die Verantwortung übernehmen und dabei süß gucken.

Der wahre Held des Films ist aber natürlich das Baby. Eigentlich sollte es seit gefühlt 18 Stunden im Bett sein, trotzdem macht es den ganzen Zirkus glucksend mit, ohne je ernsthaft zu murren oder gar zu schreien. Eltern mit echten Problemen, die sich nicht durch Prügeleien mit Obdachlosen lösen lassen, schauen sich das blass vor Neid an.

One Night Off, D 2021 - Regie: Martin Schreier. Buch: Murmel Clausen, Doron Wisotzky. Mit Emilio Sakraya, Andreas Helgi Schmid, Carol Schuler. Amazon, 108 Minuten. Start: 29. 12. 2021.

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