Diskussion über Strache-Video:Nichts wäre auch eine Antwort

Whoah! We're going to Ibiza. Ein Viedeo und seine Folgen

Von links: Die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle, SZ-Redakteure Oliver Das Gupta, Bastian Obermayer und Peter Münch, der Publizistikprofessor Fritz Hausjell, die SZ-Korrespondentin und Moderatorin Alexandra Föderl-Schmid.

(Foto: Robert Newald)

In Wien analysiert eine Diskussion der SZ und des Burgtheaters die Folgen des Ibiza-Videos.

Von Felix Haselsteiner, Wien

Als Heinz-Christian Strache spricht, herrscht im Wiener Burgtheater faszinierte Stille. Die 935 Gäste lauschen bei einer Sonntagsmatinee - ein paar Hundert Meter vom österreichischen Bundeskanzleramt entfernt, direkt im politischen Zentrum Österreichs also - der Stimme des Vizekanzlers a. D. Der Ton rauscht ein wenig, allein die Worte, die er in dem Video, das über die Burgtheater-Bühne projiziert wird, spricht, sind längst bekannt: Es ist von der Kronen Zeitung die Rede, die eine scheinbare russische Oligarchennichte übernehmen soll, vom Unternehmer Hans-Peter Haselsteiner, den Strache nicht mehr will, und dessen Aufträge ebenjene Frau dafür erhalten soll, damit sie im Gegenzug die FPÖ "pusht". Es fällt auch die in Österreich fast schon zum Standardrepertoire jeder politischen Debatte über das Strache-Video gehörende Aussage: das im Video mit einer schneidenden Handgeste unterlegte "Zack, zack, zack" des Heinz-Christian Strache.

Es ist die wohl markanteste Stelle jenes Videomitschnitts, den die Süddeutsche Zeitung und der Spiegel im Mai veröffentlichten. Der kurze Ausschnitt nimmt die Burgtheater-Besucher noch einmal mit in eine Luxusvilla auf Ibiza, getreu dem Titel der Veranstaltung: "Whoah! We're going to Ibiza. Ein Video und seine Folgen".

Eine Runde aus Wissenschaftlern und SZ-Redakteuren will in der Burg über die Auswirkungen des Videos diskutieren. Den Ton der Veranstaltung der Süddeutschen Zeitung in Zusammenarbeit mit dem Burgtheater setzt Martin Kušej, zuvor Intendant des Münchner Residenztheaters, seit dieser Spielzeit Direktor an Österreichs Nationaltheater am Wiener Universitätsring. "Es ist wunderbar, dass heute fast 1000 Menschen hier im Burgtheater sind, und das alles nur, um Erinnerungen an einen Urlaub auf Ibiza aufzuarbeiten", sagt Kušej.

Die Frage, was sich denn seither verändert habe, beantwortet der Gastgeber durchaus nüchtern: "Es macht sich eine beunruhigende Ahnung breit, dass die Antwort lauten könnte: Nichts." Warum? Kušej zitiert den österreichischen Schriftsteller Doron Rabinovici: "Das Unsagbare ist wieder ausgesprochen beredt", Strache stehe mit seinen Aussagen auf Ibiza in einer Reihe mit jenen Populisten, die das Unsagbare sagten, ohne dass es Konsequenzen gehabt hätte: Kurt Waldheim, Jörg Haider, Matteo Salvini, Donald Trump, Alexander Gauland, Recep Tayyip Erdoğan oder auch Herbert Kickl, Innenminister a. D. und Kandidat der FPÖ für die Wahl am Sonntag.

Die Recherchen der SZ hatten im Sommer 2018 begonnen. Bastian Obermayer, SZ-Redakteur und Co-Autor des Buches über die Ibiza-Affäre, berichtet vom ersten Kontakt mit dem Videomaterial und anfänglichen Schwierigkeiten mit dem Verständnis der Aussagen im Dialekt, Peter Münch, Österreich-Korrespondent der SZ, von den Zweifeln an der Echtheit: "Ich dachte, es sei vielleicht eine Falle in der Falle für uns, denn so viel Bescheuertes kann eigentlich niemand sagen."

Whoah! We're going to Ibiza. Ein Viedeo und seine Folgen

Martin Kušej, der neue Burgtheater-Chef.

(Foto: Robert Newald)

Der Publizistik-Professor Fritz Hausjell betonte, es sei ein "Glücksfall" gewesen, dass das Material der SZ und dem Spiegel zugespielt worden sei, da sie keine direkte Konkurrenz zu den österreichischen Medien darstellen würden: "Hätten österreichische Medien das Video veröffentlicht, wäre die Berichterstattung eine andere gewesen", so Hausjell. Münch stellte klar, dass die SZ "kein Mitspieler" in der Ibiza-Affäre sei: "Wir haben keine Mission, und wir haben auch keine Regierung gestürzt, das hat sie schon selbst gemacht." Strache hatte zuvor behauptet, "ausländische Mächte" seien verantwortlich für das Scheitern der Regierung gewesen.

Insgesamt aber kommen die Diskutanten zu dem ernüchternden Fazit, dass sich im politischen Österreich seit dem Ibiza-Video wenig verändert hat: Weder im Journalismus ("Investigativer Journalismus wurde zwar gefühlt gestärkt, aber nicht strukturell", so Hausjell) noch in der Frage der Parteispenden ("Die Maßnahmen sind von viel zu geringem Ausmaß", so die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle) noch im Blick auf die Rolle der FPÖ ("Strache wird zurückkommen, in der Partei oder mit einem eigenen Bündnis", so Münch) habe sich entscheidend etwas getan. SZ-Redakteur Oliver Das Gupta wies auf einen weiteren Aspekt hin: Strache habe im Video geäußert, dass er Österreich nahe an Osteuropa rücken wolle: "Er sagt, dass der Osten 'die einzige Hoffnung' sei".

Während Münch zu dem pessimistischen Schluss kam, dass sich nachhaltig wohl wenig verändern wird, formulierten die wissenschaftlichen Vertreter am Ende doch noch direkte Folgen der Ibiza-Affäre, auch wenn nicht klar war, ob diese gut oder schlecht sind: "Durch den Skandal hat das Vertrauen in die Gestaltungsfähigkeit der Politik abgenommen", sagt die Politologin Stainer-Hämmerle, ein erneutes Bündnis aus ÖVP und FPÖ wäre aus ihrer Sicht ein "Imageverlust" für Österreich. Und Hausjell sah vor allem in der Wahl am Sonntag eine Errungenschaft des Videos: "Die Bevölkerung hat eine Chance zum nochmaligen Nachdenken bekommen."

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