Stephen Hawking in der Popkultur:Dieser Mann war reiner Geist

The Hawking Excitation

"Sie haben sich verrechnet", sagt Stephen Hawking in einer Folge von "The Big Bang Theory" zu Sheldon. Woraufhin dieser in Ohnmacht fällt.

(Foto: Warner Bros. Television)

Er spielte Poker in "Star Trek", trat bei "The Big Bang Theory" und bei den "Simpsons" auf. Stephen Hawking war ein Popkultur-Phänomen. Und das nicht nur wegen seines Genies.

Von Kathleen Hildebrand

Es erscheint paradox, aber die Erkenntnis, dass Intelligenz einen Menschen nicht unbedingt über alle anderen weniger Intelligenten erhebt - die nimmt man einem Hochbegabten eher ab als einem Normalo.

Als Lisa Simpson mit einem Club aus IQ-Protzen die Stadt Springfield übernommen hat und die Dinge nicht ganz so paradiesisch laufen wie erwartet - tatsächlich hat sich ein Mob versammelt, der die Philosophenkönige stürzen will - da muss schon Stephen Hawking kommen, um die Lage zu retten. In seinem Hightech-Rollstuhl summt er also heran und richtet: Die schlauen Springfielder hätten sich von der Macht korrumpieren lassen, sie haben versagt. Die Welt ist offenbar doch nicht automatisch besser, nur weil die Klügsten sie regieren. "Was ist schiefgegangen?" fragt Lisa ihn enttäuscht und Dr. Hawking antwortet im Ton väterlicher Güte: "Manchmal sind die Klügsten von uns auch die Kindischsten. Es hat eben jeder eine andere Vorstellung von der perfekten Welt." Dann fährt Hawking mit Homer auf ein paar Biere in Moe's Bar.

Diese Szene ist die erste von fünf Auftritten, die ein gelber Stephen Hawking in der Zeichentrickserie hatte. Und sie zeigt, welche Rolle der Physiker in der Popkultur einnahm, die ihn schon früh innig umarmte. Hawking, das war der "schlaueste Mensch der Welt", wie die Menschen in Springfield ehrfürchtig rufen. Aber er war eben nicht die Verkörperung jenes kulturellen Stereotyps vom verrückten Wissenschaftler, der alles tut, um seinen Gedanken und Erfindungen zur Realisierung zur verhelfen. Der Stephen Hawking der Popkultur war ein Musterbeispiel von wissenschaftlicher und letztlich menschlicher Integrität.

Dieser für einen Wissenschaftler so ungewöhnliche Status hatte - neben seiner unbestrittenen Brillanz - schon auch viel damit zu tun, dass Hawking in einer Zeit gelebt und geforscht hat, die nach Bildern giert. Und die Bilder, die Hawking lieferte, waren besonders. Die Amyotrophe Lateralsklerose, die ihn fast vollständig lähmte, der schmale Körper im wuchtigen Rollstuhl, die stockende Computerstimme, die für ihn sprach: Sein Körper wirkte schwach, ja regelrecht unerheblich für das, was sein Verstand leistete. Es war deshalb leicht, ihn als personifizierte Intelligenz zu inszenieren. Als sichtbare Version des reinen Geistes, der sonst visuell einfach nicht zu fassen ist.

Hawkings auffällige Körperlichkeit passte zu dem Bild des guten Wissenschaftlers, das die Kunst sich von ihm machen wollte. Sie machte ihn nicht nur besonders, sondern entrückte ihn auch gewissermaßen vom profan Menschlichen. Von der Arroganz, die man von einem Wissenschaftsstar erwarten könnte. Von seiner Überheblichkeit den Dingen gegenüber, mit denen Menschen sich befassen, die nicht theoretische Astrophysik in Cambridge lehren.

Da ist zum Beispiel dieser Gastauftritt in einer Folge von Star Trek: The Next Generation. Hawking - oder besser ein Hologramm von Hawking - spielt auf dem Holodeck Poker gegen den Androiden Data, Isaac Newton und Albert Einstein. Am Anfang macht er da einen unverständlichen Witz über gekrümmte Räume, aber trotzdem ist Hawking in dieser kurzen Sequenz der am wenigsten Arrogante der drei großen Geister. Newton will nur von seinem Apfel erzählen und Einstein warnt Hawking, dass ihm die Unschärferelation nicht helfen werde, wenn er gleich sein Blatt zeigen muss: "Sie bluffen doch!" Hawking deckt auf, gewinnt und: grinst.

Außerdem hatte Stephen Hawking Gastauftritte in Matt Groenings anderem Zeichentrickhit Futurama, desweiteren in der Comicserie Cosmo und Wanda und in der Liveshow der britischen Komiker von Monty Python. Seine Bereitschaft, sich in Comicfiguren verwandeln zu lassen und sich vor der Kamera selbst zu spielen, hat mit dazu geführt, dass Hawking jenseits der Wissenschaftswelt so berühmt wurde, wie er es war.

Die Serie, die sich die Verehrung des Stephen Hawking am deutlichsten in ihre DNA geschrieben hat, war wohl The Big Bang Theory. In einer Episode erfüllt sich der größte Traum von Hauptfigur Sheldon Cooper, als Hawking ein wissenschaftliches Paper von ihm liest. Hawking will Sheldon daraufhin treffen und sagt ihm, dass er einen Rechenfehler gemacht hat. Sheldon will das erst nicht glauben. Aber dann sieht er ihn, den Fehler - und fällt in Ohnmacht. Die Big-Bang-Theory-Schauspielerin Mayim Bialik veröffentlichte auf ihrem Instagram-Account ein Foto von Gaststar Stephen Hawking mit dem Ensemble der Serie.

Hawking sieht zerbrechlich aus zwischen den jungen, strahlenden Schauspielern. Aber genau das war immer die Rolle, in der man ihn sehen wollte, und in die er sich bereitwillig begab: Der Mann, dessen Verstand viel wichtiger ist als sein Körper. Der bewies, dass der Geist über das Fleisch siegen kann.

Es überrascht deshalb nicht, dass es in Hawkings erstem Auftritt in Gelb bei den Simpsons eine kurze Sequenz gibt, in der Stephen Hawking davon schwebt, während die schnöden Erdenbewohner in der Misere zurückbleiben, in die sie sich mit ihrer unzureichenden Intelligenz und ihrem unwürdigen Machtstreben hineingewurschtelt haben. Als der Mob sich auf Lisas Schlauberger-Kabinett stürzt, fährt Hawking aus seinem Rollstuhl einen Hubschrauberrotor aus. Unter den Rädern zünden kleine Düsentriebwerke. Er fliegt aus dem gewalttätigen Getümmel heraus, nach oben, zum Licht.

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