Stephen Frears wird 80:Machiavellismus der Gefühle

Regisseur Stephen Frears wird 80

Seine Stoffe finden ihn: Er habe keine eigene Vision, sagt der britische Regisseur Stephen Frears gern.

(Foto: Tracey Nearmy/dpa)

Pragmatiker im Dienst der besten Geschichten: Der britische Filmemacher Stephen Frears wird achtzig.

Von Fritz Göttler

Womöglich, so spekulierte Stephen Frears vor ein paar Jahren in einem Interview, habe er seinen Aufstieg im britischen Kino Margaret Thatcher zu verdanken. "Sie wollte uns alle in kleine Geschäftsleute verwandeln. In gewisser Weise war sie erfolgreich ... auch wenn das Produkt, das wir verkauften, Feindschaft ihr gegenüber war." Nützlich bei dieser Wandlung zum Geschäftsmann war Frears sein großer Briefkasten, er prüfte all die Drehbücher, die man ihm zusandte, und suchte die richtigen raus, die er verfilmen wollte. Ein klassischer Pragmatiker der Filmindustrie: Er sei kein Mann mit einer eigenen Vision, sagt er gern.

Geboren ist er am 20. Juni 1941 in Leicester, "aufgewachsen" ist er bei der BBC, das war damals eine kreative Kinderstube. Heute sei die BBC besessen von Management, findet er, "man muss sie dezentrieren, die BBC muss wieder lernen, billig zu arbeiten." Es gibt bei Frears immer die kleinen Geschichten von kleinen Leuten, in kleinen, unspektakulären Filmen, und wenn das Budget nicht fürs Kino reichte, machte er es fürs Fernsehen.

Der kleine Kinofilm "My Beautiful Laundrette / Mein wunderbarer Waschsalon" machte ihn 1985 weltbekannt, nach dem Drehbuch von Hanif Kureishi, mit Daniel Day-Lewis als Punker-Engel. Eine schwule Lovestory in einem London, das vom Rassismus zerrissen ist. Danach kamen auch Angebote aus Amerika, der erfolgreichste Film aber, der so produziert wurde, "Dangerous Liaisons", ein Kostümfilm aus dem vorrevolutionären Frankreich, wurde in Europa gedreht und war daher recht billig. Emotionaler Machiavellismus, die coole Manipulation der Gefühle, das maliziöse Spiel von John Malkovich und Glenn Close, das war unerhört spannend damals, im Jahr 1988.

Solche Naivität, die sich moralischer Einordnung entzieht, solche eingeschworenen, Grenzen ignorierenden Teams liebt Frears. Bruce Willis und die Seinen im Wettbüro, die locker mit Riesenbeträgen operieren, in "Lady Vegas", die Schriftsteller-Kommune auf dem Land in "Tamara Drewe", aber auch die Freunde von Florence Foster Jenkins, die sich im gleichnamigen Film bemühen, die reiche Millionärin zum Konzert in die Carnegie Hall zu bringen, obwohl jeder ihrer Töne schriller herauskommt als der vorige. Noch in dem Betrügerteam, das in der TV-Serie "Quiz" die britische Variante von "Wer wird Millionär?" auszutricksen versucht, kann man die Verführer der "Dangerous Liaisons" wiedererkennen. Es geht darum, den Professionalismus vorzuführen, und ihn dabei ad absurdum führen.

Der Kritiker David Thomson, der sich gern querstellt zur Phalanx seiner Kollegen, ist ein guter Freund und ein überzeugter Verteidiger von Frears - besonders wenn es um dessen Film "Mary Reilly" geht. "Er mag den Film nicht und hatte den Eindruck, bei dem sei alles schiefgegangen von Anfang an", sagt Thomson. "Also schulterte ich die lebenslange Aufgabe, ihn sanft zu überzeugen, dass der Film sehr gut war. Ich werde dabei nicht gewinnen ..." Thomson hat den Film in seine persönliche Auswahl aufgenommen, als er anlässlich der 60. Berlinale eine Retrospektive mit Berlinale-Filmen zusammenstellte und dabei alle zum Wiedersehen von "Mary Reilly" aufforderte. Ein verschmähter Horrorfilm: Dr. Jekyll & Mr. Hyde hatten auch eine Haushälterin ...

Aktuell plant er eine Ehrenrettung für Richard III., den verfemten König

Was David Thomson besonders schätzt, sind die TV-Arbeiten, die Frears in den Siebzigern für die BBC machte, viele nach Büchern von Alan Bennett. Auch später hat Frears oft mit Schriftstellern gearbeitet, Hanif Kureishi, Christopher Hampton (der das Drehbuch zu "Dangerous Liaisons" schrieb und später zu ",Chéri", nach einem Roman von Colette), Donald Westlake, Roddy Doyle, Nick Hornby, dessen "High Fidelity" Frears verfilmte, und der für ihn dann "State of the Union" schrieb, eine Ehekomödie im Serienminimalismus, mit Rosamunde Pike und Chris O'Dowd als Ehepaar, das sich jede Woche in einem Pub zusammensetzt - und dann ab in die nächste Stunde der Paartherapie.

Man spürt noch in diesen bürgerlichen Dramen Frears' Herkunft aus dem Kino des kitchen sink der Sechziger, mit dem die jungen Briten, Lindsay Anderson, Karel Reisz, Tony Richardson, vorführten, dass das Leben sich auch an den Spülbecken und in den Ehebetten abspielte, nicht nur in den Wohnzimmern. Bei Anderson und Reisz hatte Frears Regieassistenz gemacht, sie haben ihm dafür bei seinem ersten Film "Burning" geholfen. Frears machte dann seinen eigenen kitchen sink, divers mit "My Beautiful Laundrette", romantisch mit "Mary Reilly".

"The Lost King" heißt sein neuester Film, der kurz vor dem Drehstart steht. Die Geschichte der Frau, die die Überreste des englischen Königs Richard III. gefunden hat, unter einem Parkplatz in Leicester. Das soll eine Ehrenrettung für Richard werden, gegen die Leute, die ihn so schändlich behandelten, Shakespeare und Laurence Olivier.

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