Zuerst war es nur ein Kinderspiel, eine futuristische Jules-Verne-Phantasie - am Ende wurde es zur schlichten Notwendigkeit: Der Mensch schwingt sich zum Weltbaumeister auf, gestaltet die Geografie um und errichtet gigantische Kraftwerke und Schleusen, um wilde Wasser zu bezwingen und Menschen das Überleben zu ermöglichen.

Einen Höhepunkt erreichten diese planetarischen Umbaumaßnahmen, sowohl real als auch imaginär, in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, als der Münchner Architekt Hermann Sörgel die Trockenlegung des Mittelmeers durch Staudämme bei Gibraltar plante, Stalin die Sprengung eines kasachischen Mittelgebirges zur Bewässerung südlicher Regionen erwog - und als an der Grenze von Nevada zu Arizona der Boulder Dam, später Hoover Dam, entstand.
Dieser größte Staudamm seiner Zeit war, einerseits, ein Monument des schwer errungenen, weil mit 107 gestorbenen Bauarbeitern bezahlten Sieges über den ungestümen Colorado River, der seither, zum riesigen Lake Mead aufgestaut, vier Milliarden Kilowattstunden Strom in drei Staaten und selbst bis ins 430 Kilometer entfernte Los Angeles liefert. Andererseits ist der Hoover Dam auch so etwas wie ein gebautes Gesamtkunstwerk, eine strahlend weiße Symphonie aus Kurvaturen, schroffen Kanten und kunstvoll verzierten Betonwipfeln im Stile des Art Deco vom Architekten Gordon Kaufmann. In den geschickt in die Landschaft eingepassten Formen scheinen gar die wahnwitzigen Maschinenvisionen des Futuristen Antonio Sant"Elia endlich Gestalt anzunehmen.
Schließlich aber ist der Hoover Dam, als Beweis der schier grenzenlosen Gestaltungskraft amerikanischer Ingenieure, immer auch so etwas wie ein Seismograph des amerikanischen Selbstbewusstseins gewesen. Stolz führte man die Teertrasse von Boulder City aus in engen Serpentinen zum Mauerkamm hinunter und dann zur Staatsgrenze nach Arizona hinüber, zum Highway 93: Jeder Amerikaner, der etwas auf sein Land gibt, muss einmal über das 221 Meter hohe Bollwerk hinüber; etwa 15 000 Menschen sind es pro Tag.
Und tatsächlich: Selten war ein so nutzbringendes Bauwerk so elegant. Die zwei Türme des Kraftwerks gleißen wie Leuchtturm-Laternen im Sonnenlicht, der sanfte Schwung auf dem Betongrat verbindet die rötlich glühenden Bergflanken der Colorado-Schlucht, selbst unscheinbare Details wären Zierden jeder Art-Deco-Sammlung. Auf der Staumauer erinnert nur ein kleines Messingschild daran, dass die Turbinen erstmals am 11. September 1936 angeworfen wurden. Heute, nach genau 70 Jahren, wird in den offiziellen Statistiken lieber erwähnt, dass erst knapp einen Monat später, am 9. Oktober 1936, erstmals Los Angeles mit Strom beliefert wurde.
Man ist vorsichtiger geworden. Der Hoover Dam gilt heute als mögliches Terroristenziel. Schon zwei Wochen nach 9/11 rückte das Militär an. Der Damm ist zum Hochsicherheitstrakt der Homeland Security geworden und wird weiträumig abgeriegelt, mit Wasserbarrieren, Straßensperren - jeder größere Wagen wird kontrolliert - und Luftraumüberwachung. Außerdem entsteht ein neuer Highway, hoch über der Betonschleuse, auf dem man die weiße Mauer nur noch mit einem kurzen Seitenblick erhaschen kann. Dies alles soll die Gefahr von Anschlägen und Unfällen minimieren. Geschützt wird aber nicht nur ein Lebensquell für drei amerikanische Bundesstaaten, sondern ein amerikanisches Symbol, wie es auch die zwei Türme in Manhattan waren.