Statue "Verity" von Damien Hirst:Ausgeburt pompösen Kitsches

Kein Talent, aber viel Geld: Großbritannien blickt schockiert in Richtung des englischen Küstenstädtchens Ilfracombe. Dort erstreckt sich Damien Hirsts Monumentalskulptur "Verity" in den Himmel - und lässt nur einen Schluss zu. Hirst ist als Künstler nicht mehr ernst zu nehmen.

Alexander Menden, London

"Es grenzt schon an ein Wunder, was so viel Geld und so wenig Talent gemeinsam hervorbringen können", sagte der vergangenen August verstorbene Kunstkritik-Doyen Robert Hughes, als er einmal Damien Hirsts Statue "The Virgin Mother" betrachtete. Einer Version des Wunders werden neuerdings auch Bewohner und Besucher des englischen Küstenstädtchens Ilfracombe teilhaftig. Seit dieser Woche steht Hirsts "Verity" dort am Hafen und blickt auf den Bristol Channel hinaus.

"Verity" ist eine 20 Meter hohe, 25 Tonnen schwere Bronzestatue. Sie stellt, wie die von Hughes so trocken abgefertigte Figur, eine schwangere Frau dar, auf deren rechter Körperhälfte die Haut zwiebelartig abgezogen ist. Man sieht das Fettgewebe der Brust, Muskel- und Sehnenstränge, und das halb exponierte, ungeborene Baby in ihrem schwellenden Bauch. Anders als die "Virgin Mother" reckt diese Schwangere mit ihrem linken Arm ein Schwert in den Himmel von North Devon.

Erinnerungen an stalinistische Siegesstatuen

Damien Hirst scheint damit endgültig den Schritt zum Staatskünstler vollziehen zu wollen. "Veritys" pathetischer Gestus wäre bestens aufgehoben in der Nachbarschaft des abscheulichen neuen Denkmals für die britischen Bomberpiloten an Londons Hyde Park Corner. Wie Gammastrahlung verströmt Hirsts Arbeit pompösen, monströsen Kitsch. Dimensionen und Pose erinnern, wie der Guardian-Kritiker Jonathan Jones nicht zu unrecht anmerkt, an stalinistische Siegesstatuen.

Doch Jones geht noch viel weiter. Seiner Ansicht nach wird die Epoche, in der Hirst arbeitete, als "dunkles Zeitalter" der britischen Kunst in die Geschichte eingehen. "Wir werden an ihm gemessen werden", so Jones. "Er hat die moderne britische Kunst geschaffen, und er hat sie auch zerstört." Eine trübsinnige Haltung. Hirst ist zweifellos der genialste künstlerische Selbstvermarkter seit Andy Warhol. Aber ihm deshalb die Deutungshoheit über die gesamte britische Gegenwartskunst zu überlassen, ist ebenso defätistisch wie verfehlt.

Es gibt genügend Künstler aus seiner Generation - Liam Gillick, Rachel Whiteread, Jeremy Deller, um nur drei zu nennen - die einen ebenso berechtigten Anspruch darauf erheben können, prägend für diese Epoche gewesen zu sein. Dass ihre Namen vielleicht weniger geläufig sind als der des PR-Strategen und gewieften Geschäftsmanns Hirst, ist unerheblich. Zudem produziert die britische Kunstszene schon seit Jahren junge Künstler, für die weder Damien Hirst noch seine Generationsgenossen als Richtmaß und Vorbild dienen. Sie schreiben die Geschichte weiter. Das ändert allerdings nichts an dem Urteil, zu dem man schon lange vor der "Veritys" Errichtung in Ilfracombe kommen musste: Damien Hirst ist als Künstler nicht mehr ernst zu nehmen.

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