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Statistik zu Oscar-Preisträgern:Bloß keine Sexszenen!

An welchen Kriterien sich die Juroren der Oscars orientieren, ist offiziell unbekannt. Das britische Magazin "Delayed Gratification" hat eine Statistik erstellt: Sie zeigt, wer die meisten Preise abräumt, warum Sportler leer ausgehen und ob ein Voll- oder ein Schnauzbart die Chancen auf die Trophäe erhöht.

Von Anne Hemmes

Es gibt das Gerücht, dass es nicht nur von der schauspielerischen Leistung abhängt, wer einen Oscar bekommt. Abgesehen von der zweifelhaften Unabhängigkeit der Jury, behaupteten böse Zungen beispielsweise, dass Charlize Theron den Preis für "Monster" 2003 auch deshalb bekam, weil sie sich besonders hässlich machte.

Ob Mut zur Hässlichkeit bei der Oscar-Verleihung wirklich ausschlaggebend ist, lässt sich bisher leider nicht anhand von Fakten belegen. Das britische Magazin Delayed Gratification hat nun einen Versuch gewagt, zumindest ein paar der Kriterien aufzuschlüsseln. Dafür wurden alle Charaktere analysiert, die seit 1928 in der Kategorie "Hauptrolle" gewonnen haben. Es ergibt sich tatsächlich eine Art Muster, welche das Magazin grafisch aufbereitet hat.

Besonders gute Chancen können sich demnach männliche Schauspieler ausrechnen, wenn sie eine fiktionale Figur verkörpern, die nicht aus der Vergangenheit stammt, nordamerikanischer Abstammung und Soldat, Sheriff, Monarch oder Politiker ist. Viel wichtiger als Job oder Herkunft ist aber: Bloß keine Sexszenen! Damit schrumpfen die Chancen auf einen Oscar rapide. Das Ende des Films sollte die Figur auch besser erleben. Wobei: Schaut man sich einige ältere Hollywoodfilme - beispielsweise den "Weißen Hai" - an, starben darin ohnehin oft zuerst die Darsteller, die in einer Sexszene zu sehen waren.

Alle vom Magazin aufgestellten Rubriken erfüllten seit 1928 Al Pacino als Frank Slade in "Der Duft der Frauen" (1992), Gregory Peck als Atticus Finch in "Wer die Nachtigall stört" (1962) und William Holden als Sergeant J.J. Sefton in "Stalag 17" (1953). Damit war ihnen jeweils der Oscar für die beste männliche Hauptrolle sicher. Aber was wären Regeln ohne die Ausnahme, die sie bestätigt? José Ferrer erhielt 1950 für seine Darstellung des Schriftstellers Cyrano de Bergerac den Filmpreis, obwohl er sich nur an eine der Kategorien hielt: Er spielte keine Sexszene.

Prostituierte statt Politikerin

Was für die Männer gilt, trifft auch größtenteils auf die Frauen zu. Wer einmal einen Oscar für die weibliche Hauptrolle bekommen möchte, sollte nach Möglichkeit eine Nordamerikanerin verkörpern, die es im realen Leben nicht gibt. Im Gegensatz zu den Schauspielern erhöhen die Schauspielerinnen ihre Chancen, wenn sie jemanden spielen, der nicht aus der heutigen Zeit, sondern aus der jüngeren Vergangenheit stammt.

Karriere zu machen, schadet den Frauen wohl auch: Wer eine Hausfrau oder Mutter darstellt, gewinnt eher einen Oscar, als Schauspielerinnen, die in die Rolle einer Poltikerin oder einer Frau in einem kreativen Medienberuf schlüpfen. Wahrscheinlicher ist ihnen der Gewinn außerdem auch, wenn sie eine Prominente á la Paris Hilton darstellen oder eine Prostituierte. Frauen, die doch eine Sexszene im Film hatten, gewannen zudem viel häufiger einen Oscar als Männer, die sich auf der Leinwand entblößten.

Nicole Kidman (2002 "The Hours - Von Ewigkeit zu Ewigkeit"), Hilary Swank (1999 "Boys don't cry") und Kate Winslet (2008 "Der Vorleser") haben alle Rubriken bereits einmal erfüllt und damit jeweils einen Oscar gewonnen. Die Ausnahmen der Regel sind unter anderem Bette Davis in "Joyce Heath" (1935), Katherine Hepburn als "Eva Lovelace" (1933) und Diane Keaton als "Annie Hall" (1977).

Kein Sport, kein Bart

Abseits der persönlichen Eigenschaften gibt es auch andere (oberflächlichere) Merkmale, die ausschlaggebend sein können. Zum Beispiel die Gesichtsbehaarung bei Männern. Die beste Zeit, um damit die Gewinnchancen zu erhöhen, ist trotz inflationärer Verbreitung der Hipster-Bärte bereits vorbei - sie war in den 70er-Jahren. Ein Vollbart war damals die bessere Wahl als ein Schnauzbart: Er steigerte die Chancen auf eine Oscar-Trophäe nochmal um ein Prozent.

Auch wenn viele Schauspieler behaupten, dass sie sich für ihre Rolle kasteit haben, scheint körperliche Anstrengung indes nicht besonders honoriert zu werden. Sportler gewinnen keinen Oscar. Es sei denn, sie spielen einen Boxer und auch davon gab es bisher nur drei. Etwas verwunderlicher ist dagegen, dass es unter den Oscargewinnern vier zu drei steht im Wettbewerb zwischen Frauen, die eine Prostituierte und Männern, die einen Priester spielen.

Wenn man bedenkt, dass das Magazin alle Gewinner seit 1928 aufgelistet hat, ist diese Zahl nicht besonders hoch. Andere Tätigkeiten wie Politiker, Krimineller oder Monarchin sind weitaus häufiger vertreten. Alle Oscar-Preisträger erfüllen aber mindestens eine der vom britischen Magazin aufgestellten Rubriken. Die aktuellen Gewinner von 2013, Daniel Day Lewis ("Lincoln") und Jennifer Lawrence ("Silver Linings") sogar mehrere (unter anderem keine Sexszenen, kein Leinwand-Tod und ein Job als Politiker).

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