Staralbum (22):Julia Roberts

Es gibt Kinofrauen, deren Anziehungskraft lebt von ihrem Wirklichkeitsgehalt - man kann sich ein Leben mit ihnen vorstellen. Und dann gibt es die anderen, die überhaupt nur auf der Leinwand existieren zu können scheinen - die können dann sogar Prostituierte spielen, ohne dass je Zweifel an ihrer Unschuld aufkämen. Nach so einem Erfolg kann es nicht ausbleiben, dass die Leute ihr Gesicht irgendwann allzu pretty fanden; als habe die ganze Welt zu viel von einer Süßigkeit genascht und die Nase voll von so viel Zuckerschnute. Zu viele Locken, zu braune Augen, zu volle Lippen. Man kann das aber auch anders sehen, so wie ihre Kameramann Philippe Rousselot, der nach "Mary Reilly" das Wunder ihres Gesichts auf vier Seiten besungen hat: "Ein Schatten über dem Mund wegen der aufgeworfenen Lippen. Während des Lächelns entfaltet es sich wie eine Welle an einem Strand. Ein bläulicher Schatten unter den Augen verstärkt das goldene Leuchten der Haut." So kann man es auch sehen. Es gab jedenfalls eine Reihe Flops, eine kurzfristig abgesagte Hochzeit mit Kiefer Sutherland, eine kurze Ehe mit dem Country-Lulatsch Lyle Lovett; die Realität funktioniert eben nicht nach Kinoregeln. Sie versuchte es mit renommierten Regisseuren - Kasdan, Altman, Pakula, Frears, Hallström und Woody Allen -, die dem Affen zu wenig Zucker gaben, und sie spürte, wie verdammt dünn die Luft in ihren Gagenhöhen ist. Julia Roberts erkannte, dass sie eher die Frau für unglückliche Geschichten mit Happy-end ist, für rosa Märchen vor schwarzem Hintergrund. In "Die Hochzeit meines besten Freundes" durfte sie sogar eine Zigarette rauchen - eine beachtliche Dosis Verworfenheit für ihre Verhältnisse. In "Notting Hill" spielt sie dann sich selbst oder zumindest die romantische Vorstellung, die wir von einem Filmstar haben. Und in "Erin Brockovich" steht sie schon fast mit beiden Beinen im Leben, oder was das Kino eben dafür hält. Ist aus Miss Julia vielleicht doch eine Mrs.Roberts geworden? Oder ist das nur wieder eine der Finten, mit denen Hollywood uns ein X für ein U vormacht?

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Julia Roberts

(Foto: Verleih)

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