Süddeutsche Zeitung

Stadtreparatur:Eine Rampe für Schinkel

Eine kleine Berliner Ausstellung präsentiert die Ergebnisse des Ideenwettbewerbs zur neuen Bauakademie. Der Schinkelbau war in der ehemaligen DDR abgerissen und mit dem Außenministerium überbaut worden.

Von Peter Richter

Es war ausdrücklich ein Experiment, vor dem Architekturwettbewerb zum Wiederaufbau der Schinkelschen Bauakademie in Berlin erst einmal einen Wettbewerb auszuloben, der Vorschläge einbringen sollte, wofür genau das Gebäude überhaupt gebaut werden könnte. Ein Wettbewerb über Programmideen war das, der vermeiden sollte, was nebenan beim Schloss der Hohenzollern passiert ist: Dass die Rekonstruktion der verlorenen Fassaden der eigentliche Inhalt des Projekts ist und die Nutzung gewissermaßen nur das Ornament. Und dass es sich mit der Bauakademie im Prinzip ähnlich verhält, das zeigt sich nun einmal schon darin, dass für den Wiederaufbau dieses Gebäudes vom Haushaltsausschuss des Bundestages vor zwei Jahren schon 62 Millionen Euro bereitgestellt wurden, ohne dass eben schon klar wäre, was da rein soll. Schinkels Backsteinbau ist ein bedeutendes Werk der Architekturgeschichte, ein Vorschein auf die Strukturen, die das Bauen in der Moderne prägen sollten.

Mindestens die Kubatur, sehr gern auch die Fassaden des Hauses, sollen hier zurückkehren

Mindestens die Kubatur, sehr gern aber auch die Fassaden des Hauses, das in der DDR abgerissen und später mit deren inzwischen auch schon wieder abgerissenem Außenministerium überbaut wurde, sollen hier zurückkehren und damit natürlich auch an diesem Ort das leisten, was man Stadtreparatur nennt, also die Wiederherstellung einstiger Bezüge und Raumverhältnisse: "So viel Schinkel wie möglich" lautet die Formulierung in der Ausschreibung. Leider hat währenddessen direkt nebenan der Neubau von hochpreisigen und offensichtlich größtenteils immer noch leer stehenden Eigentumswohnungen in Form und Farbe von Buttercremetorten die Substanz der Friedrichswerderschen Kirche dermaßen angegriffen, dass dieses immerhin im Original erhaltene Bauwerk Schinkels aus statischen Gründen für Besucher seit Jahren gesperrt ist.

Bau und Gegenbau, Abriss und Gegenabriss, Rekonstruktionen, der Wohnungsmarkt und die buchstäblich zerstörerische Kraft von milchig nostalgisierender Investorenarchitektur: Wo so viel zusammenkommt, was die Debatten über das Bauen zurzeit bestimmt, muss man sich vielleicht nicht wundern, wenn die teilnehmenden Architekten bei einem Wettbewerb zu einem Haus, das ihrem eigenen Berufsstand gewidmet sein soll, auf den Rekonstruktionsdruck ein wenig störrisch reagieren, wie eine Präsentation der Ergebnisse im Foyer des Bundesamtes für Bauen und Raumordnung jetzt zeigt.

Vor zwei Wochen hatten interessierte Fachleute und Laien auf Einladung der Architekturzeitschrift ARCH+ und der Sektion Baukunst der Akademie der Künste einen sogenannten Bauakademie-Code diskutiert und verabschiedet, der sich unter anderem für den folgenden Ausführungswettbewerb "jegliche Vorgabe zu Position, Volumetrie und Umgang mit Geschichte" verbittet, einen Bezug auf Schinkel beim Entwurf als "Automatismus" ablehnt und darüber hinaus fordert, dass die neue Bauakademie "nicht zur gegenwärtigen ideologischen Säuberung der Stadt beitragen" solle.

Viele Vorschläge laufen darauf hinaus, den Bau eher von innen her zu entwickeln

In den Anfang Mai schon prämierten fünf gleichrangigen ersten Preisen und fünf Auszeichnungen sind nun ähnliche Reflexe ablesbar. Zwar gibt es genügend Versuche, ein möglichst flexibles Raumprogramm auch hinter einer Rekonstruktion des Schinkelschen Fassadenrasters unterzubringen. Aber auffällig sind eben auch die gelegentlichen Versuche, die Baugeschichte der DDR durch diese neuerliche Überschreibung des Ortes nicht gänzlich auszulöschen, sondern zumindest zu memorieren. So schlägt das Büro von H.G. Merz eine Rampe vor, die den Ort des einstigen Außenministeriums als "historischer Stempel" auf dem Vorplatz markiert. Und auch die Arbeitsgemeinschaft von Studioeuropa aus München und Fopp Zaugg aus Zürich schlägt zusätzlich einen Baukörper vor, der parallel zur Spree die Erinnerung an das einstige Scheibenhochhaus von Josef Kaiser, Heinz Aust, Gerhard Lehmann und Lothar Kwasnitza aus den Sechzigerjahren wachhält. Das mag vielleicht nicht das Allererste gewesen sein, was den Haushältern des Bundestages durch den Kopf ging, als sie die 62 Millionen bewilligt haben, aber abgesehen von diesen kleinen Volten laufen ohnehin sehr viele prämierte Vorschläge darauf hinaus, den Bau eher von innen her zu entwickeln, von einem Raumbedarf her, den ein Programm bestimmt, bei dem viel von Ausstellungen, Veranstaltungen, Diskussion, Flexibilität und so weiter die Rede ist, kuratiert von einer möglichst unabhängigen Intendanz.

Was genau man sich darunter nun vorzustellen hat, lässt sich bei einer Vergabe von so vielen gleichrangigen Preisen leider immer noch nicht wirklich erkennen, demzufolge bleibt auch weiter unklar, wie eine architektonische Lösung am Ende aussehen könnte. Aber vielleicht läuft die nächste Wettbewerbsaufgabe an die Architekten ganz einfach darauf hinaus, sich vorzustellen, was Karl Friedrich Schinkel aus fünf verschiedenen Ideen sich selbst so zusammengebaut hätte.

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Quelle:
SZ vom 26.06.2018
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