Endlich wird gestritten. Nachdem die SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus kürzlich einen Verkaufsstopp für landeseigene Grundstücke beschlossen hat, kommt nach Jahren des Abwartens Bewegung in Berlins Liegenschaftspolitik. Gerade arbeitet der Senat an einer Vorlage für eine Neuausrichtung. Es wird aber auch Zeit. Denn das, was die Stadt bislang mit ihren Grundstücken macht, kann man nur verantwortungslos nennen - und zwar in Hinblick auf die eigene Bevölkerung, die Stadtentwicklung und die Finanzen. Ja, auch die.
Der Prinzessinnengarten in Berlin im Panorama
(Foto: Marco Clausen / Prinzessinnengarten)Die Misere hat vor allem einen Grund: Beim Verkauf von stadteigenen Grundstücken entscheidet das höchste Gebot - und zwar per Gesetz. Wer also am meisten zahlen kann, bekommt den Zuschlag. Was angesichts der notorisch leeren Kassen in Berlin gut klingen mag, ist fatal. Denn was anschließend auf dem Areal passiert, ist zweitrangig. Die vermeintlich hohen Einnahmen gehen auf Kosten von sozialen, gesellschaftlichen und kulturpolitischen Gesichtspunkten, ganz zu schweigen von einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Internationale Immobilieninvestoren und Großfirmen können nun mal am meisten zahlen - und deren Portfolios sind begrenzt: Büroflächen und Luxuswohnungen erschöpfen das Angebot meist schon. Nicht zuletzt die aktuelle Liegenschaftspolitik hat damit dem Explodieren der Mieten und dem Spekulationsboom in Berlin den Boden bereitet. Was von allen Parteien beklagt wird, ist per Gesetz verordnet.
Der Glaube, das höchste Gebot sei auch das beste für die Stadt, speist sich aus der irrigen Vorstellung, die öffentliche Hand müsste so agieren wie die private - ausgerichtet am schnellen Profit. Das führt so weit, dass Grundstücke und Gebäude, die von den Bezirken gerade nicht benötigt werden, an den Liegenschaftsfonds abgegeben werden müssen, damit dieser sie privatisiert. Nun ist es aber so, dass solche Liegenschaften sehr wohl in einigen Jahren für Kitas oder Schulen gebraucht werden könnten. Zwischennutzung heißt in diesen Fällen eigentlich das Zauberwort: Für einen begrenzten Zeitraum und oft zum Nebenkostenpreis bekommen Interessenten, die meist soziale oder kulturelle Anliegen verfolgen, die Fläche von der Stadt zur Verfügung gestellt. Künstlerateliers oder freie Theaterspielstätten sind so schon entstanden. Gerade in Berlin hat das wichtige Impulse in der Stadtentwicklung gegeben.
Einer der umkämpftesten Bezirke Berlins
Das Problem: Die Bezirke können es sich nicht mehr leisten, ihre Gebäude und Grundstücke günstig zu vermieten, selbst wenn es stadtpolitisch sinnvoll wäre. Es taucht nämlich negativ in ihren Bilanzen auf. Und zwar weil ihre Kostenleistungsrechnung im Sinne der freien Marktwirtschaft auch kalkulatorische, also rein fiktive, Kosten kennt. Diese entstehen, weil das Grundstück ja nicht meistbietend verkauft wurde. Oben drauf kommen auch noch die kalkulatorischen Zinsen. "Das hält kein Bezirk lange durch", sagt Franz Schulz, Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg.
Schulz' Bezirk - angesagt, zentral, mit Ufernähe - ist in puncto steigender Mieten und Immobilienspekulation einer der umkämpftesten in ganz Berlin. Es ist also nicht sonderlich überraschend, dass die beiden Grundstücke, deren Fortgang nun die Liegenschaftspolitik auf den Prüfstand gebracht hat, sich dort befinden.
Da ist einmal das Areal an der Holzmarktstraße, das weit über Berlins Stadtgrenzen hinaus bekannt geworden ist. Auf dem Grundstück an der Spree gastierte nämlich für einige Jahre die Bar 25, Synonym für das wilde und aufregende Berlin. Dieser Mythos wird nicht nur regelmäßig von Wowereit beschworen, er hat auch dazu geführt, dass die Jugend Europas ein festes Reiseziel hat: die Clubstadt Berlin. Die Bar 25 war ein klassisches Zwischennutzungsprojekt. Der Verkauf des Areals, das sich im Besitz der landeseigenen Berliner Stadtreinigung (BSR) befindet, von Anfang an klar. Auch hier nach dem Höchstpreisverfahren versteht sich, der Bebauungsplan sah dementsprechend ein großes Bauvolumen inklusive Hochhaus vor. Interessant ist so etwas nur für Großinvestoren.
Doch ein alternatives Konzept einer Bietergemeinschaft, zu der auch die ehemaligen Betreiber der Bar 25 gehören, will nun zeigen, was möglich wäre, wenn nicht nur die schnelle Rendite bei der Grundstücksvergabe ausschlaggebend ist: eine kreative Mischnutzung aus bezahlbarem Wohnraum, Kulturprojekten und kleinteiligen Büro- und Verkaufsflächen. Wie ausgegoren das alles ist, muss sich noch zeigen. Doch das Grundkonzept ist überzeugend - auch für die Politik. Als Schulz den Bebauungsplan zugunsten der kleinteiligen Lösung änderte, hat der Senat für Stadtentwicklung - anders als früher - keinen Einspruch eingelegt. Wie ernst es der Stadt mit der oft beschworenen Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik ist, muss jetzt die Vergabe des Grundstücks beweisen.