Staatsoper Berlin: neuer Intendant:Das vitale Theatertier

Lust am Turbulenten: Jürgen Flimm verlässt die Salzburger Festpiele 2011 als Intendant - und geht an die Berliner Staatsoper. Die Kunst des Klüngelns, sagt man ihm nach, beherrsche er.

Harald Eggebrecht

Eigentlich sei er gar nicht schwierig, hat Jürgen Flimm, der Intendant der Salzburger Festspiele, vor kurzem fast treuherzig gesagt. Anlaß war der heftige Streit, der zwischen dem Schauspielchef der Salzburger Festspiele, Thomas Oberender, und eben Flimm ausgebrochen war, und der mit Oberenders Abgang nach nur drei Jahren endete. Aus Oberenders Sicht kam Flimm da gar nicht gut weg: er sah ihn als einen eifersüchtig unangenehmer Despoten.

Staatsoper Berlin: neuer Intendant: Wird Chef der Staatsoper in Berlin: Jürgen Flimm.

Wird Chef der Staatsoper in Berlin: Jürgen Flimm.

(Foto: Foto: dpa)

Doch auch Flimm, noch bis 2011 im Amt, wird seinen Vertrag nicht darüberhinaus verlängern und Salzburg dann, wie nun gemeldet, Richtung Berlin verlassen als neuer Intendant der dortigen Staatsoper in der Nachfolge von Peter Mußbach. Flimm hat seine Entscheidung zum Abschied von Salzburg damit begründet, dass er eine weitere Steigerung der Kommerzialisierung in Salzburg befürchte, "und das mach ich nicht mit".

Jürgen Flimm gilt als vitales Theatertier, das eher aus dem Bauch heraus inszeniert und agiert denn als kühl-rationaler, theorieorientierter Kopfmensch. Und ihm geht trotz der unerfreulichen Salzburger Geschichte im Allgemeinen tatsächlich der Ruf voraus, es mit allen zu können, ob mit Politikern wie Gerhard Schröder, Komponisten wie Wolfgang Rihm, Dirigenten wie Nikolaus Harnoncourt oder Sängerinnen wie Cecilia Bartoli. Nicht zu vergessen Flimms lange währende Freundschaft mit dem ewigen Fußballtrainer Otto Rehagel. Als Regisseur hat er erfolgreich überall inszeniert, ob in Mailand oder New York.

Die Kunst des Klüngelns

Flimm, 1941 in Gießen geboren und in Köln aufgewachsen, sagt man nach, er beherrsche die Kölner Kunst des Klüngelns von Grund auf, jene nicht nur beneidenswerte Fähigkeit, persönliche Verbindungen und Vernetzungen in alle Richtungen und auf allen Ebenen herzustellen und zu pflegen. So etwas prädestiniert geradezu für Intendantenposten, weil dort künstlerische Entscheidungsfreudigkeit, wirksame Öffentlichkeitsarbeit, politisches Verhandlungsgeschick und diplomatische Verbindlichkeit gleichermaßen verlangt sind, um Erfolg zu haben.

All das hat Flimm für die Chefpositionen in Köln, bei der Ruhrtriennale oder in Salzburg gut gebrauchen können. Besonders die Zeit zwischen 1985 und 2000, als er das Hamburger Thalia-Theater leitete, gilt als ebenso effektvolle wie effiziente Ära an diesem traditionsreichen Haus.

Der Regisseur Flimm wird für Vielseitigkeit, Lust am Turbulenten und handwerkliche Sicherheit, was manche mit Routine übersetzen, geschätzt und in gelungenen Arbeiten gerühmt. Er hat zwar schon 1978 Luigi Nonos Oper "Al gran sole carico d'amore" inszeniert, aber nach seinen Worten habe ihm erst die Bekanntschaft mit Nikolaus Harnoncourt die Augen und Ohren für das Musiktheater geöffnet.

Die Zusammenarbeit dieser beiden ziemlich gegensätzlichen Charaktere, hier der strenge Harnoncourt dort der umtriebig-konziliante Flimm, begann 1990 in Amsterdam mit einer gefeierten Inszenierung von Mozarts "Cosi fan tutte". Wenn Jürgen Flimm nun Intendant der Berliner Staatsoper Unter den Linden wird, kann und muss er erneut Organisationstalent, Begabung im Geldauftreiben und Lebendigkeit als Theatermacher beweisen.

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