Berliner St.-Hedwigs-Kathedrale:Der Altar ist schon abgeräumt

Berliner St.-Hedwigs-Kathedrale: So eine Kooperation zwischen einem westdeutschen Architekten und Künstlern aus Ostdeutschland war selten. Doch jetzt stört die Treppe.

So eine Kooperation zwischen einem westdeutschen Architekten und Künstlern aus Ostdeutschland war selten. Doch jetzt stört die Treppe.

(Foto: imago stock&people)
  • Mit dem Umbau der St.-Hedwigs-Kathedrale zerstört die katholische Kirche ein seltenes Beispiel west-östlicher Zusammenarbeit in Berlin.
  • Auch Mahnwachen und Anzeigen beim Denkmalschutz scheinen nichts zu helfen.
  • Die Baugenehmigung war noch nicht einmal beantragt worden.

Von Peter Richter, Berlin

Der Altartisch ist tatsächlich schon weg. Die Bauarbeiter mussten ihn herausbrechen aus der flachen Bühne, auf der in der Berliner St.-Hedwigs-Kathedrale über fünfzig Jahre lang die Messen zelebriert wurden. Und da es offensichtlich nicht ganz einfach war, ihn da herauszubrechen, hat es auch links und rechts davon ein paar Marmorplatten erwischt. Aber am Ende soll ohnehin die ganze Erhöhung abgetragen und ein neuer Altar ebenerdig in die Mitte des runden Kirchenraums kommen. Denn so sieht das der Entwurf vor, der den Wettbewerb für den Umbau der Kathedrale gewonnen hat und den das Bistum jetzt umsetzen will. Für deren Vertreter, den Dompropst Tobias Przytarski zum Beispiel und seinen beratenden Architekten Jan Krieger, ist deswegen das Bild, das sich zur Zeit dort bietet, insofern vor allem Vorschein von Kommendem und Grund zur Freude.

Hans Joachim Meyer, Sachsens ehemaliger Kulturminister, nennt es "besinnungslose Zerstörung"

Gegner dieses Umbaus dürfte der Anblick dafür eher an Bildersturm und Kirchenschändung denken lassen. Diese Gegner sind organisiert in einem in Gründung befindlichen Verein "Freunde der Hedwigskathedrale". Dessen Vorsitzender ist Hans Joachim Meyer, ehemals Kulturminister in Sachsen und langjähriger Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, und Meyer nennt das, was hier passiert, nicht nur am Telefon eine "besinnungslose Zerstörung". Der gesamten Raumschöpfung des Architekten Hans Schwippert drohe hier die Totalzerstörung, heißt es in einer Presseerklärung aus Anlass eines Urheberrechtsprozesses vor dem Landgericht Berlin, der für den 15. Oktober angesetzt war, aus Personalmangel aber ins nächste Jahr verschoben wurde. Es ist ohnehin nicht sicher, ob und inwiefern dieser Prozess wiederum aufschiebende Wirkung auf die Abriss- und Umbaumaßnahmen hätte.

Meyer sagt, es bleibe den Freunden der Hedwigs-Kathedrale nun einmal nichts anderes, als dranzubleiben, solange wie möglich dagegen zu protestieren und die Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, dass hier ein einzigartiges Kulturdenkmal abgetragen wird. Einzigartig war der Innenraum in der barockklassizistischen Hülle von St. Hedwig schon deswegen, weil hier nach der Zerstörung im Krieg ein Architekt aus dem Westen, noch dazu der Erbauer des Bonner Bundeshauses, im Zentrum von Ostberlin tätig war und dabei mit Künstlern aus der DDR zusammenarbeitete. Wohlgemerkt von 1952 bis 1963, also auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Einzigartig war auch das Ergebnis: Schwippert hatte in der Mitte des Zentralraums einen großen Abgang zur Unterkirche geöffnet, wo es den Raum für den oben fehlenden Kapellenkranz gab. Der jetzt entfernte Altartisch der Oberkirche setzte sich nach unten hin fort und wurde in seiner Wurzel zum Hochaltar dieser Unterkirche, wo auch die Gebeine des als Märtyrer verehrten Nazi-Opfers Bernhard Lichtenberg ruhen.

Dass auch diese Dimension immer schon vom Hauptraum aus präsent war, dass also mit Kuppel, Oberkirche und Krypta von einem Ort aus immer zugleich auch alle anderen Sphären erfahrbar waren, das zählte unbedingt zu den Aspekten, die Schwipperts Raumkonzeption für die Gegner des Umbaus so wertvoll und erhaltenswert macht. Alle ihre Argumente hatten sie bereits 2016 in einem offenen Brief an Berlins Erzbischof Heiner Koch formuliert. Die Liste der Unterzeichner war lang und las sich wie ein internationales Verzeichnis von Experten für Denkmalpflege. Verfasst hatte ihn der Kunsthistoriker Adrian von Buttlar, der lange dem Berliner Denkmalrat vorsaß. Jetzt hat von Buttlar in einem Online-Magazin noch mal Alarm geschlagen: Der Skandal weite sich aus, das Bistum habe ohne Genehmigung mit den Abrissarbeiten begonnen, mutmaßlich, um irreversible Fakten zu schaffen. Denn was einmal weg ist, ist weg; die Doktrinen des Denkmalschutzes kreisen nun einmal um den Erhalt des Bestands.

Als die Umbaugegner diesen Sommer die zerbrochenen Marmorplatten aus dem Altarbereich in Schuttcontainern neben der Kathedrale fanden, haben sie eilig Anzeige erstattet. Es erging vorläufig ein Abrissstopp, der jedoch wieder aufgehoben ist. Tatsache ist, dass bislang noch gar keine Baugenehmigung vorliegt, der Bauantrag erst zu Beginn des nächsten Jahres eingereicht werden soll. Im Bistum spricht man von bauvorbereitenden Maßnahmen.

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