Spurensuche:Wer war Jane Roe?

Abtreibung USA Alabama

Geht wieder von vorne los: Demonstrationen für liberale Abtreibungsgesetze in Washington.

(Foto: Saul Loeb/AFP)

Die Welt verändert sich, nicht aber die Fragen. Wir suchen nach wiederkehrenden Motiven. In den USA kommen Gesetze gegen Schwangerschaftsabbruch wieder in Mode.

Von Marie Schmidt

Die Welt verändert sich ständig, nicht aber die großen Fragen. Wir suchen nach wieder- kehrenden Motiven. Gesetze gegen Schwangerschaftsabbruch kommen in den USA wieder. À propos: Wer war Jane Roe?

Zuerst soll es kaum jemanden interessiert haben, als der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten 1973 Frauen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch zusprach. Erst die Grundsatzentscheidung in der Verhandlung, die als "Roe v. Wade" bekannt wurde, machte das Thema zu einem, mit dem man in Amerika die Massen anstacheln und auf die Straße bringen kann. Was der Populist Trump auf dem Zettel hatte: Inzwischen hat er sein Wahlversprechen gehalten, eine Mehrheit republikanischer Richter im Supreme Court zu schaffen, die bereit wären, dieses Recht auf körperliche Selbstbestimmung zu widerrufen. Damit sie darüber entscheiden können, muss das Thema aber erst mal wieder vor dem Obersten Gericht landen. Um das zu provozieren, haben jetzt mehrere Bundesstaaten harte Gesetze gegen Schwangerschaftsabbrüche erlassen, die gegen "Roe v. Wade" und damit die amerikanische Verfassung verstoßen. Sollten Frauenrechtsaktivisten das vor dem Supreme Court einklagen, sind die konservativen Richter am Zug. Damit sind die Frauen in den USA da, wo sie angefangen haben, als zwei Anwältinnen 1970 den Modellfall einer Frau vor Gericht brachten, der sie den Namen Jane Roe gaben, was einer deutschen Sabine Mustermann entspricht. An deren Lebensgeschichte ließe sich ziemlich genau erzählen, was das Problem der "Pro-choice"-Bewegung ist: Sie kennt keine Heldinnen. Norma McCorvey jedenfalls, die "echte" Jane Roe, diente den Anwältinnen Linda Coffee und Sarah Weddington als perfekter Fall: aus prekären Verhältnissen stammend, von ihrer Mutter wegen ihrer Bisexualität kujoniert, war sie mit 21 Jahren zum dritten Mal schwanger geworden und konnte sich weder das Kind leisten, noch eine Reise in einen Bundesstaat, in dem Abtreibung erlaubt gewesen wäre. Also wollte man für sie das Recht auf Abtreibung in Texas durchsetzen, vertreten durch den Staatsanwalt Henry Wade. Später im Leben hat McCorvey versucht, sich mit ihrer Rolle in dem Fall zu identifizieren. Sie schrieb ein Buch darüber, trat als Aktivistin auf und versuchte, mit all dem Geld zu verdienen. Aber erst, als ein evangelikaler Priester und Kopf einer Anti-Abtreibungs-Gruppe sie zur Pro-Life-Aktivistin gedreht hatte, konnte sie genau davon leben. 2017 starb sie in Texas. "Roe v. Wade" war für sie übrigens zu spät entschieden worden. Ihr drittes Kind musste sie auf die Welt bringen und hat es zur Adoption freigegeben.

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