Spurensuche:Tugendheld

Peter Paul Rubens-Die Krönung des Tugendhelden

Peter Paul Rubens-Die Krönung des Tugendhelden. Abb.: Museumslandschaft Hessen Kassel

Daran, man könne seine Widersacher in den Staub treten, glauben nur Napoleon und andere Potentaten. Peter Paul Rubens weiß es besser.

Von Kia Vahland

Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. Rubens zeigt, was heldenhaft ist: Hass und Zwietracht zu besiegen

Was für ein Kerl. Seine Sandale stützt sich auf einen getöteten Feind, sein Hintern ruht auf einem Besiegten, und seinen glänzenden Schild rammt er in den Nacken eines gefesselten Muskelprotzes, der ihm demütig das Knie zu küssen scheint. Eine schöne, halb nackte Blondine ist zur Stelle und krönt den Helden mit Lorbeer. Und im Hintergrund lodert das Feuer der Ehre. Welch eine Männerfantasie. Man kann sich vorstellen, welche Populisten heute bei diesem Anblick glänzende Augen bekämen.

So ging es auch Napoleon, der das von Peter Paul Rubens im Jahr 1614 gemalte Bild aus Kassel rauben ließ, um es an zentraler Stelle im Pariser Musée Napoléon anbringen zu lassen. Es hing in der Rotunde des Louvre über einer Büste Napoleons, davor ließ der Herrscher Antiken, Rüstungen, Raubgut drapieren.

Dumm nur, dass Napoleon sich nicht in Ikonografie und Affektgeschichte auskannte. Das Gemälde zeigt gar nicht das, was Männer wie er für eine Siegerpose halten. Rubens' Triumphator ist ein Tugendheld, er hat die negativen Affekte besiegt. Der Erdolchte unter seinen Füßen versinnbildlicht Furor, den Aufruhr. Die Person mit dem Schlangenhaar unter seinem Gesäß ist Discordia, die Zwietracht. Der gefesselte Barbar repräsentiert den Sieg der Zivilisation. Der ritterliche Protagonist wird von einer Victoria bekrönt, weil es ihm gelungen ist, Frieden zu stiften, worauf auch das unschädlich gemachte Pfeilbündel der Eintracht verweist, das ihm überreicht wird.

Der Kunsthistoriker Martin Warnke legt in seinem Rubensbuch (DuMont-Verlag, Köln 2010) dar, wie der Maler auf dem heute wieder in Kassel ausgestellten Bild dazu aufruft, negative Emotionen wie Streitlust, Willkür und Wildheit heldenhaft zu bändigen. Dies ist ganz im Sinne der barocken Affektlehre, die den Aufbau von Staatlichkeit im 17. Jahrhundert begleitete.

Heute sind negative Emotionen wie Wut, Hass, Angst, Neid in den politischen Diskurs zurückgekehrt, Rüpel wie Donald Trump kultivieren sie. Das bringt das Konzept eines verlässlichen Staates ins Wanken, denn der gewährt Frieden und Sicherheit ja gerade im Verzicht auf Willkürakte. Wenn er seinen seit der Rubenszeit sukzessive erworbenen Anspruch auf eine von persönlichen Affekten unbeeindruckte Rationalität aufgibt, gefährdet er sich selbst. Und gewinnt - nichts. Es ist eine Illusion, vollends und ohne Gegenschläge über andere triumphieren zu können, sie mit einem Fußtritt demütigen zu dürfen. Napoleon hat das bald selbst erfahren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: