Spurensuche:Lügenpresse

Spurensuche: Sollten sie ihre Beziehung nicht lieber offenlegen? Cary Grant und Rosalind Russell (links) mit Kollegen in dem Film "Sein Mädchen für besondere Fälle" von 1940.

Sollten sie ihre Beziehung nicht lieber offenlegen? Cary Grant und Rosalind Russell (links) mit Kollegen in dem Film "Sein Mädchen für besondere Fälle" von 1940.

(Foto: imago stock&people)

Von den Kämpfen der Presse gegen die Politik erzählte Howard Hawks 1940 in "His Girl Friday" mit Cary Grant. Eine böse Geschichte.

Von Fritz Göttler

Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. Von den Kämpfen der Presse erzählt Howard Hawks 1940.

Das Hays Office, die selbstinstallierte Kontrollinstanz der amerikanischen Filmindustrie, war nicht gerade glücklich: Scum of Western civilization hieß es im Drehbuch über die amerikanische Großstadtpresse, Abschaum der westlichen Zivilisation. Das war freilich durchaus als Kampfbegriff, also irgendwie ehrenwert gemeint.

"His Girl Friday" von Howard Hawks aus dem Jahr 1940 ist der große Hymnus auf die kämpferische Presse, und um am Ende siegreich zu sein, muss diese auch lügen, tricksen, die Schwächen der Gegner ausnutzen, um sie für möglichst dumm zu verkaufen. Dafür steht Walter Burns, Chef der New Yorker Morning Post, verkörpert mit unvergleichlich charmanter Perfidie von Cary Grant. Gleich am Anfang will seine Ex-Frau ihm ihren Neuen vorstellen, einen Provinzler aus Albany. Grant geht sehr zielstrebig auf ein altes Männchen zu, das beim Eingang des Redaktionsbüros wartet und schüttelt ihm glückwünschend die Hand. Ein schüchterner junger Mann - Ralph Bellamy mit babysanften Backen - versucht ihn aufzuklären, er sei es doch, und als Grant seinen "Irrtum" endlich erkennt, putzt er den armen Alten runter, was er sich hier denn einmische . . . Genau diese Taktik nutzt er auch, wenn es um Nachrichten, Politikerintrigen, Sensationen für sein Blatt geht.

Seine Ex Hildy Johnson, gespielt von Rosalind Russell, ist dummerweise auch seine beste Reporterin, und er will beide behalten, Frau und Journalistin. Ja, diese Presse ist aggressiv und sie ist der Feind der Korruption in den Behörden der Stadt - Bürgermeister, Sheriff, Staatsanwalt -, denen sie sich in ihren Taktiken anpasst: Lügenpresse gegen Lügenpolitik. Die Nation war alles andere als geeint. Die Politik will ein Exempel statuieren und den armen Mörder Earl hinrichten. Burns schickt Hildy los, zu einem last minute interview, und die sieht gleich, Earl ist nicht wirklich zurechnungsfähig. Eine böse Geschichte, die nun zu größtem Chaos führt. Earl kann fliehen, die Morning Post versteckt ihn exklusiv, Verhaftung droht - es ist wahrscheinlich die schnellste aller screwball comedies.

Hawks ist ein angenehm amoralischer Filmemacher, seine Helden sind pragmatisch, und Pragmatismus ist ihre Moral. Diese Presse ist im Krieg, ihre "Extras" sind harte Waffen. Wie gesagt, dem Hays Office war unwohl, wie man hier von der Presse sprach. Scum of Western civilization. Scum of creation.

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