Spurensuche:Heute schon manipuliert?

Computerspiel „Bioshock“ aus dem Jahr 2007

„Bioshocks“ Art-déco-Stil ist ungewöhnlich für ein Computerspiel.

(Foto: 2K Games)

Das Computerspiel "Bioshock" sah unsere widersprüchliche Mediennutzung schon lang vor dem Facebook-Skandal voraus.

Von Nicolas Freund

Die Welt verändert sich ständig, nicht aber die großen Fragen. Wir suchen in Kunst und Medien nach wiederkehrenden Motiven. Das Computerspiel "Bioshock" sah unsere widersprüchliche Mediennutzung voraus.

Viele Facebook-Nutzer fragen sich derzeit, warum sie eigentlich in dem sozialen Netzwerk aktiv sind. Warum teilt man freiwillig alle Urlaubsfotos und privaten Nachrichten mit den Konzernen? Alle wussten, dass mit den Daten nicht sorgsam umgegangen wird, hinterfragt hat die Nutzung aber kaum jemand. Selbst nach dem aktuellen Skandal ziehen nur wenige Konsequenzen - Messenger und Freundeslisten sind einfach zu praktisch. Dieses widersprüchliche Verhalten im Umgang mit digitalen Medien ist nicht neu - schon 2007 wurde es von dem Computerspiel "Bioshock" vorgeführt.

Der Shooter gilt als der Wendepunkt, von dem an Videospiele als Kunst ernstgenommen wurden. Der Spieler taucht darin in eine Unterwasserwelt ab, die direkt aus den Romanen der amerikanischen Philosophin Ayn Rand stammen könnte: Der größenwahnsinnige Unternehmer Andrew Ryan hat darin im Nordatlantik eine Stadt unter der Meeresoberfläche errichtet, komplett mit Unterwasserhochhäusern und kupfernen Tauchglocken als Nahverkehrssystem. Dort wollte er den Traum von einem radikal liberalen Utopia verwirklichen, nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht: Jeder Bewohner kann sich durch Genmanipulation selbst nach Belieben verbessern. Alles sollte auf dem Grund des Meeres möglich sein.

Wie alle Utopien scheitert aber auch Ryans Projekt. Ein Bürgerkrieg stürzt die Unterwassergesellschaft ins Chaos und der Spieler landet als Jack, einziger Überlebender eines Flugzeugabsturzes, mitten in der auseinanderfallenden Stadt. Neben diesem außergewöhnlichen Szenario vom gescheiterten Großunternehmen ist das besondere an "Bioshock" ein eigentlich ganz einfacher, narrativer Trick: In einer Szene gegen Ende des Spiels trifft Jack auf Andrew Ryan. Dieser eröffnet ihm, dass er die ganze Zeit über betrogen wurde. Jack sei selbst genetisch manipuliert und konnte gar nicht anders als den Anweisungen aus seinem Funkgerät zu folgen. Moment! Jack wurde doch vom Spieler vor dem Computer gesteuert. Wie kann er dann manipuliert worden sein? Oder wurde der Spieler selbst auch manipuliert? Ist er auch auf die spannende Unterwasserstadt hereingefallen? Immerhin hat er bis zu diesem Punkt bedingungslos alles so gemacht hat, wie es ihm befohlen wurde. Vor derselben Erkenntnis stehen gerade die Facebook-Nutzer. Warum lässt man sich von den digitalen Medien so gerne verführen und folgt ihnen so kritiklos? Sie machen einfach ein zu gutes Angebot.

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