Spurensuche:Gruselkabinett

Lesezeit: 2 min

Heldenfreie Zone: In "Blood Simple" der Coens wollen sich vier Menschen gegenseitig an die Gurgel, aus Gier und Selbstgerechtigkeit.

Von Susan Vahabzadeh

In Amerika kommen mörderische Exzesse häufiger vor als bei uns, und daran mag es liegen, dass auch das Kino viel häufiger davon erzählt. Auf ganz unterschiedliche Arten, aber sehr oft, von "Rambo" bis "Die Hard", ist ein Held, wer da um sich schießt und schlägt und tritt, weil es immer das Böse zu besiegen gilt. In den Filmen der Coen-Brüder läuft es ein bisschen anders. Sie spielen häufig in einer an Heroismus sehr armen Welt; und wer oder was das Böse ist, lässt sich gar nicht so leicht erkennen. Das war schon so, als sie 1984 ihren ersten Film drehten, "Blood Simple", der seit dieser Woche als Wiederaufführung in den deutschen Kinos läuft.

"Blood Simple" spielt in einer texanischen Kleinstadt, und man hat sehr schnell den Eindruck: Irgendwas ist faul in der amerikanischen Provinz. Über dem ganzen Film liegt eine wunderschöne, tieftraurige Musik. Alles ist schäbig, besonders die Bewohner. Marty (Dan Hedaya) hat eine Kneipe, die schon so aussieht, als würde man mit dem Ärmel am Tresen kleben bleiben, wenn man ihn berührt; seine Frau Abby (Frances McDormand) behandelt er wie sein Eigentum. Sie rächt sich damit, dass sie mit seinem Angestellten Ray (John Getz) ins Bett geht. So kommt es, dass Marty den schmierigen Privatdetektiv Visser (M. Emmet Walsh) beauftragt hat, sie zu beschatten. Ist doch gar nicht so schlimm, wie Sie dachten, findet Visser - "Sie haben doch gedacht, sie hat was mit einem Schwarzen."

Die Coens haben da ein echtes Gruselkabinett zusammengestellt. Alle gehen sich gegenseitig an die Gurgel. Man weiß zwar nicht so recht, zu wem man da halten soll, aber wie allen, in ihrer Selbstgerechtigkeit und ihrer Gier, ihr Tun absolut zwingend und logisch erscheint - das haben die Coens ganz meisterlich erzählt. Marty will seine Frau und ihren Liebhaber von Visser umbringen lassen; Visser findet, er kann doch einfach mal das Geld nehmen und Marty erschießen. Als Ray die Kasse ausrauben will, findet er Marty, hält ihn für tot und lässt ihn verschwinden, fest davon überzeugt, Abby, die Liebe seines Lebens, sei eine Mörderin. Böser noch: Marty ist nicht tot, und dann folgt eine nicht enden wollende, qualvolle Sequenz, in der Ray ihn umbringt, was mit bloßen Händen eben gar nicht so schnell geht. Dass man bei diesen Figuren immer mit dem Schlimmsten rechnen muss, ist ein gutes Argument dafür, Menschen nicht auch noch hochzurüsten.

© SZ vom 07.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: