Spurensuche:Gigaliner

Spurensuche: Gigaliner der anderen Art: Der Tanklaster mutiert in "Duell" zur dröhnenden Bedrohung.

Gigaliner der anderen Art: Der Tanklaster mutiert in "Duell" zur dröhnenden Bedrohung.

(Foto: Universal Television)

Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. 1971 erkundete Regisseur Steven Spielberg das Drohpotenzial der Lastwagen.

Von Fritz Göttler

Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. 1971 erkundete Steven Spielberg das Drohpotenzial der Lastwagen

Ein neues Schreckgespenst hat seit Beginn des Jahres auf den deutschen Fernstraßen seinen Platz gefunden - der Gigaliner. Minister Alexander Dobrindt hat das entschieden, nach ein paar Jahren Testfahrerei und gegen eine Menge Bedenken und Kritik. 25 Meter lang sind die XXX-Laster, etwa sechs Meter länger als gewöhnliche LKWs, sie dürfen aber nicht schwerer beladen werden als diese, 40 Tonnen. Zwei der Gigaliner könnten, nach der stromlinienförmigen ministeriellen Kalkulation, etwa drei andere Laster ersetzen. Nicht enthalten sind in dieser Rechnung die Schäden, die der Mythos der Highways und ihrer Trucker erleiden wird, den das amerikanische Kino in Jahrzehnten lustvoll etabliert hat mit seinen Roadmovies.

Steven Spielberg hat diesen Mythos im Jahr 1971 schon mal kräftig angekratzt mit seinem ersten Film "Duell" - damals hat er an den Grundfesten Amerikas noch gern ein wenig gerüttelt, inzwischen baut er dessen Mythen lieber wieder auf. Vor "Duell" kamen die Gefahren der Highways eher von fiesen Cops, sadistischen Hitchhikern - oder einem coolen, mutterfixierten Motelbesitzer. In Spielbergs Film wird ein Geschäftsreisender auf dem Highway von einem Tanklaster verfolgt, er versucht sich abzusetzen, was ihm aber nicht gelingt. Den Fahrer des Monsterlasters kriegt er nie zu Gesicht, nur dessen Stiefel. Der Laster als anonyme monströse Erscheinung - das gewinnt eine zusätzliche Horroraura in Zeiten, da Autos ohne Fahrer tatsächlich gebaut und propagiert werden, computergesteuert, unabhängig von Menschen. Das Drehbuch zu Spielbergs Film schrieb Richard Matheson, der seit den Sechzigern für solche Stoffe mit realistischem Drohpotential zuständig war, kurz bevor Stephen King dann das Genre übernahm.

Ferne Horizonte, weite Ebenen, Gebirge aus Felsen und Wolken in der Ferne. Die Freiheit und Unabhängigkeit der amerikanischen Highways projizieren wir sogar in unsere deutschen Roadmovies. Aber auf deutschen Fernstraßen wirken die neuen glitzernden Gigaliner dominant und bedrohlich, völlig außer Kontrolle. Der Ruf des Lasters, ein Vehikel von Transport und Kommunikation, das in Nizza und Berlin als Mord- und Terrorinstrument missbraucht wurde, wird weiter leiden. Und welche deutschen Filme wird es geben, wenn die Spezies der Gigaliner das Terrain des deutschen Autofahrers beherrschen und besetzen wird?

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