Spurensuche:Echo aus einer hoffnungsvollen Zeit

Spurensuche: Bis heute gehört der halbbiografische Roman "Wer die Nachtigall stört" über die Rassenprobleme im Amerika der Dreißigerjahre zu den meistgelesenen Büchern. Mit Gregory Peck (li.) in der Hauptrolle wurde das Werk auch verfilmt und gewann drei Oscars.

Bis heute gehört der halbbiografische Roman "Wer die Nachtigall stört" über die Rassenprobleme im Amerika der Dreißigerjahre zu den meistgelesenen Büchern. Mit Gregory Peck (li.) in der Hauptrolle wurde das Werk auch verfilmt und gewann drei Oscars.

(Foto: imago/United Archives)

Die Welt verändert sich - nicht aber die großen Fragen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. "Wer die Nachtigall stört" von 1962 erzählt vom Kleinstadt-Rassismus.

Von Susan Vahabzadeh

Die Welt verändert sich - nicht aber die großen Fragen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. "Wer die Nachtigall stört" von 1962 erzählt vom Kleinstadt-Rassismus.

Es gibt Filme, die sieht man sich an, und dann will man die Welt aufräumen. "Wer die Nachtigall stört" von Robert Mulligan ist so einer: Gregory Peck spielt den Anwalt Atticus Finch, der sich in einem kleinen Ort in Alabama gegen den Rassismus stellt. Der Film spielt in der Depressionszeit; gedreht ist er zu Beginn der Bürgerrechtsbewegung, vor dem Mord an Kennedy, lange vor dem an Martin Luther King. Wenn Atticus im Gerichtssaal seine Ansichten verteidigt, seinen Kindern die Welt erklärt, dann schallt das herüber aus einer hoffnungsvollen Zeit - denn er tut das im Glauben, dass Rassismus zu besiegen ist und Leute wie er irgendwann nicht mehr gebraucht werden; in Tröglitz nicht und auch nicht anderswo.

Die eine Sache, die sich nicht der Mehrheit beugt, ist das Gewissen, sagt Atticus Finch. Eines Tages im Sommer, er wird als Pflichtverteidiger bestellt, denn ein schwarzer Landarbeiter, Tom Robinson, soll ein junges weißes Mädchen vergewaltigt haben. Das gesamte kleine Südstaatenkaff feindet Finch nun an - aber Atticus, wie ihn sogar seine Kinder nennen, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Es geht nicht wirklich um einen Verbrechen, sondern nur um Rassismus: Das Mädchen hat Tom freiwillig geküsst, aber davon will ihr Vater nichts wissen, er lauert den Finch-Kindern auf und stiftet einen Lynch-Mob an.

Den Roman hat Harper Lee geschrieben, im nächsten Sommer soll erstmals seitdem wieder ein Manuskript von ihr erscheinen, das allerdings schon vor "Wer die Nachtigall stört" existierte. Sie war froh über diese Verfilmung, die leisen Tönen, und auch für sie wurde Peck - es war sein Oscar-prämierter Auftritt - für immer zu Atticus Finch: Sie war begeistert, als sie hörte, dass er ihn spielen werde, schrieb sie später. "Die Jahre verrieten mir sein Geheimnis: Als er Atticus Finch spielte, spielte er sich selbst. Und die Zeit hat uns noch etwas mehr verraten: Als er sich selbst spielte, berührte er die Welt."

Die wohl schönste Szene ist jene, in der Atticus Robinson gegen den Mob verteidigen will, er steht oben auf der Treppe, und seine Kinder stellen sich vor ihn - er will sie wegbringen lassen, aber sie reißen sich los, und Scout, das kleine Mädchen, spricht einen Mann in der Menge an, den sie kennt, Mr. Cunningham. Dann beginnt unten der Zusammenhalt unter den Männern zu bröckeln. Sie hat keine Angst; dazu hat Atticus sie viel zu gut erzogen.

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