Spurensuche:Der schwarze Mozart

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Die Welt verändert sich ständig, nicht aber die großen Fragen. Wir suchen in Literatur, Film, Kunst und Musik nach wiederkehrenden Motiven. Der Komponis Joseph de Bologne offenbart eine frühe Form des positiven Rassismus.

Von Helmut Mauró

Die Welt verändert sich ständig, nicht aber die großen Fragen. Wir suchen in Kunst und Musik nach wiederkehrenden Motiven. Der Musiker Joseph de Bologne offenbarte eine frühe Form des positiven Rassismus.

Traurig, aber wahr: Jeder Mensch wird als Rassist geboren, egal welchen Geschlechts, welcher Hautfarbe oder Religion er angehört. Diese Erbsünde wird auch nicht durch die christliche Taufe ein für allemal getilgt. Der Kampf gegen den eigenen Rassismus ist eine Lebensübung. In Zeiten, in denen Überlegenheitsdünkel als berufliche Qualifikation gilt, ist das schwierig. Ein Ausweg aus der eigenen Xenophobie scheint für viele die blindwütige Umarmung der Zugereisten zu sein. Das führt nicht nur zu peinlichen Szenen in Behörden-Wartesälen, sondern schnurstracks auf den Holzweg. Der Komponist Joseph Bologne, offenbar ein unehelicher Sohn des George de Bologne und dessen Hausmädchen aus den Kolonien, liefert ein Beispiel dafür. Vielleicht war sein Leben das größere Kunstwerk, obwohl er vierzehn Violinkonzerte schrieb, Sinfonien, Quartette und anderes mehr. Er war auch ein ausgezeichneter Geiger, wurde von den Damen der Gesellschaft bewundert. Allerdings weniger dafür, als für andere Vorzüge, etwa dass er ein ausgezeichneter Eisläufer, Fechter und Schwimmer war. Und so stieg das halbwilde Halbwaisenkind nach dem Tod des Vaters und Dienstherrn seiner Mutter in die höchsten Höhen der französischen Gesellschaft auf. 1776 sollte er Direktor der Académie Royale de musique werden, aber zwei Sängerinnen weigerten sich, unter einem Mulatten zu singen. Trotzdem ging es weiter. Er wurde Hauptmann der Nationalgarde, befehligte 1000 Soldaten: ausschließlich Farbige aus den Kolonien, darunter Alexandre Dumas als Leutnant. Am Ende landete Joseph Bologne, denunziert beim Wohlfahrtsausschuss, für 18 Monate im Kerker. Nach seiner Freilassung ging er nach Haiti, die Heimat seiner Mutter. Der haitianische Revolutionsführer, selber Mulatte, verfolgte nun alle reinrassigen Schwarzen und Weißen. Bologne ging zurück nach Paris, wo er verarmt starb. Heute nennt man ihn Chevalier de Saint-George und huldigt ihm in Filmen als dem "schwarzen Mozart". Seine Werke spielt man nicht. Tatsächlich könnten die meisten Menschen ein Violinkonzert von Saint-George nicht von einem Mozartischen unterscheiden. Aber die Hautfarbe und die dicken Lippen, die kann jeder Depp von Mozart unterscheiden. Am Ende bleibt auch vom positivsten Rassismus nur eines: Rassismus.

© SZ vom 08.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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