Spurensuche:Architektur der Macht

Das Kapitol in Washington, 2005

Wie aus Sahne: die Kuppel des Kapitols in Washington, D. C.

(Foto: Manfred Vollmer)

Mark Zuckerbergs Facebook-Sorry-Tour führt vom Kapitol in Washington zum Glaspalast der EU - eine Lehrstunde über das Bauen in der Demokratie.

Von Gerhard Matzig

Die Welt verändert sich ständig, nicht aber die großen Fragen. Wir suchen in Kunst und Medien nach wiederkehrenden Motiven. Der Facebook-Skandal führt Mark Zuckerberg in die Architektur der Macht.

Für Facebook-Chef Mark Zuckerberg sind es Auswärtsspiele: Am Dienstag erläuterte er das Fiasko, bei dem über das Unternehmen Cambridge Analytica rund 87 Millionen Facebook-Nutzer hintergangen wurden, vor dem Kongress. Also im Kapitol in Washington, D.C. Am Mittwoch waren dann weitere Anhörungen dran, die ebenfalls in dem wunderbar klassizistischen Gebäude organisiert wurden, dessen imposante Rotunde auf ihren gestuften Säulenreihungen immer ein wenig so aussieht, als bestünde sie aus Sahne und bekrönte eine gigantische Hochzeitstorte.

Nun will auch noch die EU Zuckerberg möglichst bald in Straßburg sehen, wo er zum Daten-Desaster im modernen Glaspalast des Europäischen Parlaments befragt werden soll. Vom Klassizismus des frühen 19. Jahrhunderts direkt in die Moderne des späten 20. Jahrhunderts, von der Rotunde aus Stein direkt in eine aus Glas: Das ist die Architektur-Tournee des Mark Zuckerberg, der auf diese Weise einen Eindruck davon bekommt, wie zu unterschiedlichen Zeiten die Räume der Macht, der Politik und des Rechts auch unterschiedlich interpretiert wurden. Herrschaftlich in dem einen Fall, im Kapitol, und gläsern transparent im anderen Fall, im EU-Parlament. Wobei sich beide Politarchitekturen der Demokratie verdanken und verpflichtet fühlen.

Ihre Räume wollen auf je unterschiedliche Weise zum Ausdruck bringen, dass darin die Interessen des Volkes verteidigt werden. Wenn Zuckerberg ein bisschen Spaß am Rollenspiel hat, dann wird er, der sich für das Kapitol ausnahmsweise einmal in einen Anzug samt Krawatte gekleidet hat, im Ambiente der Moderne, also in Straßburg, wieder zu seiner eigentlichen Uniform finden, zu grauem Schlabber-Shirt und Turnschuhen. Die gläserne Moderne tut ja oft so, als sei sie auf viel ungezwungenere Weise politisch.

Welch Irrtum. Denn weder "steckt hinter jeder dorischen Säule ein blutbefleckter Diktator" (Winfried Nerdinger), noch ist Glas ein Ausweis von Offenheit. Außerdem wird sich Zuckerberg in Straßburg so wie in Washington verhalten, ganz gleich, in welchen Räumen und Textilien er steckt. Er wird daher von "Verantwortung" sprechen und er wird "sorry" sagen. Um dann ungestört das zu tun, was er bei sich zu Hause in der Facebook-Fabrik, die weder klassizistisch noch modern, sondern eine Gewerbehalle ist, immer macht: Geld. Sorry, die Architektur der politischen Macht ist jener der Ökonomie unterlegen.

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