Springer und die 68er:"'Ausmerzen' ist eine Entgleisung"

Protest gegen Springer-Presse nach Attentat auf Dutschke

Demonstranten versuchen am Abend des 13. April 1968 vor der Frankfurter Societäts-Druckerei, in der eine Teilauflage der ´Bild"-Zeitung gedruckt wurde, die Ausgänge zu verbarrikadieren, um die Auslieferung der Zeitung zu verhindern.

(Foto: dpa)

"Springers Schreiberhorden halfen Benno morden": 1968 versuchten Demonstranten, die Springer-Zentrale in Berlin zu stürmen.

Hans Leyendecker

Nach dem Tod Benno Ohnesorgs riefen Demonstranten "Springers Schreiberhorden halfen Benno morden", und die Proteste sollen den Verleger Axel Cäsar Springer nachdenklich gemacht haben.

Wie Michael Jürgs in der Biographie Der Fall Axel Springer schreibt, habe der Verleger "in kleinem Kreis" erklärt, wie "tief" ihn der Tod des am 2. Juni 1967 von dem Polizeiobermeister Karl-Heinz Kurras erschossenen Demonstranten getroffen habe. Einem Londoner Journalisten sagte Springer damals: "Der Fehler liegt bei uns allen, nicht beim Staat."

Mit Schlagzeilen wie: "Stoppt den Terror der Jung-Roten - Jetzt" oder "Kein Geld für langbehaarte Affen" oder "Jetzt wird aufgeräumt" machten damals Springer-Zeitungen Stimmung gegen die Studenten. Am Gründonnerstag 1968 wurde der Studentenführer Rudi Dutschke durch einen Attentäter schwer verletzt.

Die Frage des Anwalts Otto Schily

In einem Prozess im Frühjahr 1970 vor dem Kammergericht zu Berlin wurde Springer als Zeuge von dem jungen Anwalt Otto Schily gefragt, ob ihm die "böswillige Berichterstattung" seiner Blätter vornehmlich hinsichtlich der "kritischen Studenten" bekannt sei: "Nein", antwortete Springer, sagte dann aber doch, dass er den Satz der Berliner Morgenpost, demzufolge man "Störenfriede ausmerzen" müsse, nicht billige: "Das Wort 'ausmerzen' ist eine Entgleisung".

Nur die vier Richtlinien, die er 1967 erlassen hatte, seien seine Sache, erklärte Springer. Dazu gehörte auch die Richtlinie vom Kampf gegen den Totalitarismus von links und rechts.

Die Zeit charakterisierte damals die Berichterstattung der Springer-Zeitungen über die Studentenunruhen mit der Feststellung, die Blätter würden "fälschen und Nachrichten unterdrücken".

Springer lebte wie im Feindesland

Diese sehr generell formulierte Einschätzung durfte nach einer Entscheidung der Hamburger Pressekammer ungestraft verbreitet werden.

Springer lebte wie im Feindesland, selbst in den USA forderten Studenten: "Enteignet Springer". Beim ZK der SED wurde eine "Arbeitsgruppe zur Unterstützung der Anti-Springer-Kampagne in Westdeutschland und Westberlin" gebildet. Karfreitag 1968 versuchten Demonstranten, die Springer-Zentrale in Berlin zu stürmen.

Die Eingangshalle ging zu Bruch, Autos brannten. Im Mai 1972 explodierten zwei Bomben im dritten und sechsten Stockwerk des Springer-Verlagshauses in der Hamburger Innenstadt. Siebzehn Mitarbeiter wurden verletzt.

Ein "Kommando 2. Juni" drohte mit weiteren Terroranschlägen. 1973 setzten Brandstifter Springers Gästehaus auf Sylt in Brand. Zwei Jahre später brannte sein Berghaus in der Schweiz ab. "Tötet Springer" hatten Täter an die Hauswand gesprüht.

Axel Springer stand auf der Todesliste der RAF, er hatte eine Waffe mit Waffenschein, die er allerdings wegen des Berlinabkommens in Berlin nicht tragen durfte.

In einem Gespräch mit einem Zeit-Reporter erklärte Springer, er leide "wie ein Hund darunter, dass manches in meinen Blättern steht, womit ich überhaupt nicht einverstanden bin".

1985 starb Springer. Sein langjähriger Gefolgsmann, der frühere Bild-Chefredakteur Peter Boenisch, beklagte im Frühjahr 2001 in einem Kommentar in Bild die "beiderseits gewalttätige und hasserfüllte Vergangenheit": Unter Bezug auf den früheren Straßenkämpfer und damaligen Außenminister Joschka Fischer schrieb Boenisch: "Ich zähle nicht seine Steine und widerkäue nicht meine Worte".

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