Sprachpsychologie:Schlächter Beigeschmack

Was haben Metzger und Manager gemeinsam? Manche Wörter lösen die gleichen Gefühle aus, obwohl sie völlig verschiedene Bedeutungen haben. Ein erstaunliches Glossar der gefühlten Sprache.

Carolin Pirich

"Der Manager fühlt sich in Deutschland an wie ein Metzger: ziemlich dynamisch, ziemlich mächtig und ziemlich negativ." Das ist kein Satz eines Verächters marktwirtschaftlicher Unternehmensstrukturen oder eines geplagten Angestellten. Er ist das stichfeste Ergebnis einer Studie zum Gefühlsgehalt von Wörtern, die am Psychologischen Institut der Humboldt-Universität in Berlin entsteht.

projekt magellan

Darf's a bisserl mehr sein? Sales-Manager at work.

(Foto: Foto: ap)

Der Manager als Metzger: Die Versuchung ist groß, den Kopf zu senken und breit zu grinsen: Der Macher und Entscheider, die leitende Persönlichkeit mit Verfügungsgewalt, wie der Duden den Manager erläutert, ist so sympathisch wie ein Schlächter.

Was manchem das Gefühl bei diesem Wort einflüstert, kann exakt gemessen zur, nun ja, Tatsache werden - auch für unverbesserliche Positivisten, die gemeinhin schon beim bloßen Verdacht auf Intuition reflexhaft die Nase rümpfen. "Die Gefühle, die bestimmte Wörter auslösen, kann man messen wie Fieber", sagt Tobias Schröder, der an der Humboldt-Universität an einem Lexikon für den gefühlten Teil der Sprache arbeitet, das in Zusammenarbeit mit der Indiana University entsteht.

Wörter wie Thermometer

Schröders statistisches Messinstrument geht auf den Psychologen Charles Osgood zurück, der in den fünfziger und sechziger Jahren in mehr als vierzig Sprachen und Kulturen die Konnotationen von Wörtern erforscht hat. Die Testpersonen geben dabei auf drei Ebenen an, ob ein Wort Sympathie, Angst, Ärger, Zufriedenheit oder Nervosität bei ihnen auslöst.

Dabei können sie einen Schieber auf einer Skala in die Richtung bewegen, die ihnen passend erscheint: ob auf sie das Wort Manager eher angenehm oder unangenehm, kraftvoll oder zart wirkt, ob es als lebhaft oder ruhig empfunden wird. "Wenn man die Gefühle vergleicht, welche die Begriffe Manager, Metzger, Krimineller oder Ehebrecher auslösen", sagt Schröder, "dann fühlen sie sich für den Deutschen ähnlich an."

Die Art, in diesen drei Dimensionen zu fühlen, so Schröder, scheine ein Naturgesetz zu sein, gewissermaßen das "Apriori des Fühlens". Angst beispielsweise: Ein Gefühl, das nach den Untersuchungen Osgoods überall auf der Welt als unangenehm, schwach und lebhaft wahrgenommen wird - lebhaft deshalb, weil Angst Handlung provoziert.

Andere Länder, andere Gefühle

Bestimmte Wörter können in unterschiedlichen Sprachgemeinschaften jedoch deutlich andere Gefühle auslösen: In den Vereinigten Staaten evozieren Wörter aus dem sexuellem Kontext starke Emotionen: Sie fühlen sich an wie Zorn oder Gewalt, während ein Deutscher recht emotionslos auf das Wort "homosexuell" reagiert.

Der Manager dagegen wird in den USA eher wie ein Richter empfunden: Mächtig, aber beruhigend -dort folgt man gerne seinen Anweisungen. Das ergaben Studien David Heises von der Indiana University, der bereits eine Art Wörter-Gefühlslexikon für die USA erstellt hat.

"Kulturen unterscheiden sich auch darin, wie sie zur Macht stehen", sagt Schröder. US-Amerikaner zum Beispiel haben, anders als Deutsche, dem emotionalen Gehalt zufolge, den sie Managern, Richtern, Präsidenten oder Gott zuweisen, ein eher positives Verhältnis zur Machtfülle. Zwar können mit dieser Methode zum Messen des Gefühlsgehalts keine Erkenntnisse darüber gewonnen werden, weshalb Wörter in verschiedenen Kulturen unterschiedlich besetzt sind.

Aber sie liefert zum Beispiel eine Möglichkeit, die These des Kriminologen Christian Pfeiffer zu überprüfen, nach der Deutsche, die in der DDR aufwuchsen, autoritätshöriger seien als ihre Brüder und Schwestern aus dem Westen und es daher unter ihnen mehr Rechtsextreme gebe. "Wenn ein Mensch Wörter, die mit Macht verbunden werden, als angenehm empfindet", sagt der Psychologe, "so ist davon auszugehen, dass er ein positives Verhältnis zu Autorität hat."

Großes Interesse an Tobias Schröders Arbeit zeigen mittlerweile auch IT-Spezialisten. Maschinen sollen auf verbal ausgedrückte Gefühle reagieren. Dabei hilft das Wissen, dass die Konnotationen von Wörtern sich auf das Handeln auswirken. Aus mindestens 1500 Wörtern der deutschen Sprache soll in den nächsten eineinhalb Jahren ein Gefühls-Lexikon entstehen (www.projekt-magellan.de).

Außer in den USA existieren bereits in Japan und Kanada ähnliche Nachschlagewerke. Sie könnten auch das interkulturelle Verständnis erleichtern. Wenn in der Arbeitswelt das Verhältnis zwischen einem Deutschen und einem Amerikaner emotional abkühlt, muss das nicht nur an George Bush liegen. Der Amerikaner hat vielleicht nur den Manager erwähnt, bei dem der Deutsche sich unwillkürlich an den ehemaligen Jugendfreund erinnert fühlt, der ihm damals seine Freundin ausspannte.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: