Sprachkritik:"Volksverräter" ist das Unwort des Jahres 2016

Demonstranten stehen mit einem Schild "Volksverräterin" am 26.08.2015 vor einer Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Heidenau und warten auf Bundeskanzlerin Angela Merkel. (Foto: dpa)

Der Begriff sei ein typisches Erbe von Diktaturen und schließe Teile der Bevölkerung aus, so die Jurybegründung.

Das "Unwort des Jahres 2016" ist "Volksverräter". Das gab die Jury der "sprachkritischen Aktion" am Dienstag in Darmstadt bekannt. Sie besteht aus vier Sprachwissenschaftlern und einem Journalisten.

Volksverräter sei ein Unwort, weil es ein typisches Erbe von Diktaturen, unter anderem der Nationalsozialisten sei, so die Begründung der Jury. Als Vorwurf gegenüber Politikerinnen und Politikern sei das Wort in einer Weise undifferenziert und diffamierend, "dass ein solcher Sprachgebrauch das ernsthafte Gespräch und damit die für Demokratie notwendigen Diskussionen in der Gesellschaft abwürgt", heißt es weiter.

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Der Wortbestandteil Volk stünde dabei "ähnlich wie im Nationalsozialismus nicht für das Staatsvolk als Ganzes, sondern für eine ethnische Kategorie, die Teile der Bevölkerung ausschließt".

"Gutmensch", "Lügenpresse", "Sozialtourismus"

Das Unwort des Jahres wird in diesem Jahr zum 26. Mal gekürt. Bei der Jury waren etwa 1000 Einsendungen mit 594 Wortvorschlägen eingegangen. Mit 48 Nennungen war "postfaktisch" das am häufigsten vorgeschlagene Wort - es war Anfang Dezember von der Gesellschaft der deutschen Sprache zum "Wort des Jahres 2016" gewählt worden. An zweiter Stelle sei das Wort "Populismus" in verschiedenen Varianten gekommen.

"Unwörter" der vergangenen Jahre waren "Gutmensch" (2015), "Lügenpresse" (2014) und "Sozialtourismus" (2013). Die Initiative war 1991 von dem Frankfurter Germanistikprofessor Horst Dieter Schlosser gegründet worden.

Seit 2011 ist die Sprachwissenschaftlerin Nina Janich von der Technischen Universität Darmstadt Jury-Sprecherin. Weitere Mitglieder sind die Sprachwissenschaftler Jürgen Schiewe (Universität Greifswald), Kersten Sven Roth (Universität Düsseldorf), Martin Wengeler (Universität Trier) sowie der freie Publizist Stephan Hebel.

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