Süddeutsche Zeitung

Sprachkritik:Die Sprache aufräumen

Verben vor: Abbas Khider erfindet ein verbessertes "Deutsch für alle".

Von Franziska Augstein

Vor zwanzig Jahren flüchtete der gebürtige Iraker Abbas Khider nach Deutschland. Damals war er 27 Jahre alt. Zuvor hatte er anderthalb Jahre in einem Gefängnis von Saddam Hussein eingesessen. Seine Freude an der Philosophie mag ihm dabei geholfen haben, das guten Mutes zu überstehen.

In der Bundesrepublik angekommen, wollte er die Lektüre fortsetzen. Zwischen ihm und den Texten von Kant, Hegel und Heidegger stand aber ein gewaltiges Hindernis: Die deutsche Sprache. Ihr hat er jetzt eine wahrhaft entzückende Hommage gewidmet. "Dieses Büchlein", schreibt er, "ist ernsthafter sprachwissenschaftlicher Schwachsinn." Ja! Recht hat er! Es ist wirklich bekloppt - und zugleich so herrlich!

"Als ich in der Bundesrepublik ankam", schreibt Khider, "kannte ich lediglich drei deutsche Wörter: Hitler, Scheiße und Lufthansa." Ob das nun genauso stimmt oder nicht: Auch nach Monaten des Lernens war der junge Mann grammatisch alles andere als gefestigt.

Steine seines Anstoßes waren "nicht nur die heimtückischen Artikel, die gefährlichen Deklinationen, auflauernden Verbflexionen und die Stolperfallen der Verbposition, sondern auch der Kasus des Dativs und Genitivs, die unzähligen Pronomen und Präpositionen, die unregelmäßigen und trennbaren Verben, die Umlautbuchstaben und viele andere seltsame sprachliche Eigenheiten".

Mit dem Erlernen von Fremdsprachen ist es so eine Sache. Das Französische präsentiert sich vielen wie ein Fischweib, das die Hände in die Seiten stemmt und erklärt: "Mich lernst du nicht!" Das Englische ist heuchlerisch: Anfangs flutscht alles, die Grammatik scheint simpel zu sein; kaum aber denken die Adepten, so schwierig sei das ja gar nicht, laufen sie an den Finessen dieser schönen Sprache auf.

Dem Flüchtling Khider ging es nun aber um das Deutsche. Schließlich wollte er Kant, Hegel und Heidegger im Original lesen. Und er wollte Deutsch reden können. Das ist ein sehr verständliches Ansinnen. Unverständlich ist Khider freilich bis heute, wie man die Umlaute ä, ö und ü richtig ausspricht. Das ä zählt für ihn "zu den schrecklichen Kreaturen unter den Buchstaben".

Ein ähnliches Problem ist der Rezensentin einmal von einer Engländerin vorgetragen worden, die sagte, sie bringe das deutsche ö nicht richtig hin. Die Lösung dafür war einfach: Fast ein jeder hat schon von dem australischen Medienmogul Rupert Murdoch gehört. In dessen Namen findet sich das deutsche ö in schönster Reinheit. Nicht dass Khider dieser Rat seinerzeit in Sachen ä geholfen hätte: "Man muss den Mund verstellen, fast miauen wie eine Katze."

Und es geht weiter: Wozu steht das Verb bei Nebensätzen am Ende? Wieso werden manche Verben geteilt wie in dem Satz "das Kind steht auf". Warum müssen Adjektive passend zum Substantiv gebeugt werden? Wozu gibt es fast mehr Präpositionen als französische Käsesorten? Und warum um Himmels willen wird die betörende Marylin Monroe plötzlich zu einem Ding, wenn man sie "das Weib" oder "das Mädchen" nennt?

Der Schriftsteller Abbas Khider hat es auf sich genommen, die deutsche Sprache aufzuräumen: Der Genitiv und der Dativ werden abgeschafft, desgleichen die meisten Präpositionen und die Umlaute. Die Zahl der Personalpronomina wird auf das Nötigste reduziert. Tuwörter stehen grundsätzlich an zweiter Stelle im Satz, womit alle Nebensätze sich erübrigt haben - was endlich dem schlauen Briten entgegenkommt, der einstmals sagte, die Gedanken von Immanuel Kant seien eine Zumutung, weil man drei Bücher von ihm lesen müsse, bis das Verb kommt. Außerdem werden die Deklinationen weitgehend eliminiert, denn "die Deklination ist wirklich das schlimmste, was die Deutschen neben dem Artikel und dem Sturmgewehr erfunden haben". Die Artikel - der, die und das - werden deshalb auch entsorgt (für Sturmgewehre ist Khider leider nicht zuständig).

Mit diesen Verbesserungen entsteht zum Beispiel folgender Satz "Wegen de schlecht Wetter hocke i in de Wohnung von de Oma und lese de Bibel."

Die deutsche Sprache, so renoviert, wäre für Ausländer viel leichter zu erlernen. Im Subtext des Buches geht es um Politik: Um Flüchtlinge, um Ausländerfeindlichkeit. Den Buchstaben ß beschreibt Khider als einen Flüchtling: aus der Schweiz wurde er ausgewiesen.

Khider muss ein Menschenfreund sein. Die Lektüre seines Buches bereitet eine Riesenfreude und noch dazu können alle deutschen Muttersprachler drei Kreuze schlagen, dass Deutsch für sie keine Fremdsprache ist.

Anzumerken wäre noch, dass das Deutsche eine sehr freundliche Eigenschaft hat: Wenn es gesprochen wird, erübrigen sich viele grammatische Feinheiten und die Sprache nähert sich der von Khider aufgeräumten ziemlich an. Ruft jemand auf einer Baustelle oder in einem Büro einen Kollegen, sagt sie nicht "Kannst du mal kurz kommen?", sondern sie sagt "Kannsemakurzkomm?"

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SZ vom 09.02.2019
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