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Sprache - Mannheim:"Alles gut" und das Gespräch ist zu Ende

Mannheim/Mainz (dpa) - Ob Entschuldigung oder irritierte Nachfrage - die Antwort ist immer öfter die gleiche: "Alles gut!". Die Floskel, die vor drei, vier Jahren aufkam, werde vor allem zur Beschwichtigung benutzt, sagte Arnulf Deppermann vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) der Deutschen Presse-Agentur. Und das im doppelten Sinne: Als Antwort auf eine Entschuldigung. Aber auch als Beruhigung, wenn man selbst die "Quelle des Problems" sei, um zu signalisieren, dass es keine Schwierigkeiten gebe.

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Mannheim/Mainz (dpa) - Ob Entschuldigung oder irritierte Nachfrage - die Antwort ist immer öfter die gleiche: "Alles gut!". Die Floskel, die vor drei, vier Jahren aufkam, werde vor allem zur Beschwichtigung benutzt, sagte Arnulf Deppermann vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) der Deutschen Presse-Agentur. Und das im doppelten Sinne: Als Antwort auf eine Entschuldigung. Aber auch als Beruhigung, wenn man selbst die "Quelle des Problems" sei, um zu signalisieren, dass es keine Schwierigkeiten gebe.

""Alles gut" heißt, das Problem, das sich uns gestellt hat, ist irgendwie bereinigt", sagte der Leiter der Abteilung Pragmatik beim IDS. Dies sei aber nicht wörtlich zu nehmen. "Formeln dienen immer dazu, Argumentationen und Diskussion zu unterbinden und etwas abzuschließen."

"Wenn sie dann versuchen, weiter zu problematisieren, machen sie das um den Preis einer enormen Belastung der Gesprächsatmosphäre", betonte Deppermann. "Sie weisen zurück, dass der andere etwas für problemlos oder akzeptiert hält. Das ist ein erheblicher Angriff auf die Einschätzung oder Autorität des anderen."

""Alles gut" hat sich im Kontext von Beschwichtigung und Entproblematisierung durchgesetzt, während wir für einen Gesprächsabschluss eine andere Formel haben, nämlich: "Alles klar"", betonte Deppermann. "Bei "alles klar" ist ja auch oft nicht alles klar - überhaupt nicht."

Dies habe unter anderem eine Studie seines Instituts zu Gesprächen mit Call-Centern gezeigt: "Wir haben viele Gespräche, wo das Anliegen des Kunden nicht bearbeitet werden kann. Wenn das klar ist, dann werden diese Gespräch durch "alles klar" in Abschluss gebracht." In dem Moment, in dem der Kunde merke, da sei nichts mehr zu holen, benutze er diese Formel.

Ob "alles gut" oder "alles klar": "Solche Formeln haben Moden", sagte Deppermann. Die Formulierung "Ok" beispielsweise habe sich enorm ausgedehnt, auch auf Gesprächskontexte, in denen sie früher gar nicht verwendet wurde. "Ok" habe ursprünglich einverstanden gemeint: Der Vorschlag wird angenommen, die Abmachung gilt. "Heute ist es wie "Mhmh" oder "Ja"", sagte der Fachmann. "Und wenn es gedehnt und mit steigender Intonation gesprochen wird, zeigt es: Das glaube ich jetzt erstmal nicht, das erstaunt mich, das finde ich jetzt sehr merkwürdig." Es stehe dann also gerade nicht dafür, Verständnis anzuzeigen, sondern fordere eine weitere Begründung und Rechtfertigung.

"Alles ist wieder gut" - ist für den amerikanischen Soziologen Peter Ludwig Berger (1929-2017) die Grundformel mütterlichen, elterlichen Trostes. Nicht nur die Angst des Kindes und sein Schmerz, alles ist in Ordnung. Mütter, die ihre Kinder mit dieser Formel trösten und in den Schlaf wiegen, übernähmen eine quasi religiöse Rolle als "Hohepriesterin der Ordnung", schrieb er in seinem Buch "Auf den Spuren der Engel". Und fragte: Belügen sie also ihr Kind?

Arnulf Deppermann (54) ist Professor für germanistische Linguistik an der Universität Mannheim. Am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache leitet er die Abteilung Pragmatik und den Programmbereichs Interaktion.

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