"Spiegel"-Bestsellerliste ändert Ranking:Verklappung der Broschur

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Ein Platz unter den ersten zehn in der "Spiegel"-Bestsellerliste ist bares Geld. Wer dort landet, dessen Erfolg ist garantiert. Doch weil Werke von Jussi Adler-Olsen oder Charlotte Roche gar nicht mehr als Hardcover erscheinen, aber wochenlang die Listen dominieren, soll eine Reform her. Dann heißt es Pappe zu Pappe und Hardcover zu Hardcover - und Probleme für die Verlage.

Thomas Steinfeld

Über Jahrzehnte hinweg hat es Bücher und Taschenbücher gegeben. Ein Buch enthielt in aller Regel eine Erstausgabe, es besaß einen festen Einband und einen Schutzumschlag. Ein Taschenbuch hatte dergleichen nicht und präsentierte meistens einen Titel mindestens zum zweiten Mal. Und so war die Welt geteilt, was sich auch in den Bestsellerlisten niederschlug, die der Spiegel - in diesen Dingen die maßgebliche Instanz in Deutschland - einmal in der Woche publiziert.

Wenn man neue Autoren nicht mehr in der Klappbroschur durchsetzen kann, weil diese bald in den reinen Taschenbüchern untergehen werden - wo dann? (Foto: dpa)

Schaut man sich hingegen die aktuelle Liste für die Belletristik an, so stellt man fest, dass die ersten drei Titel weder einen festen Einband noch einen Schutzumschlag besitzen: Es sind Bücher, deren Umschlag aus einem relativ festen Karton besteht, der aber kein fester Einband ist. Dafür ist der Karton vorne und hinten umgeknickt. "Klappbroschur" nennt man diese Art des Einbands. In den vergangenen Jahren gab es Wochen, in denen die Bestsellerliste - etwa in Gestalt der Werke von Jussi Adler-Olsen, von Helene Hegemann oder Charlotte Roche - von Büchern mit Klappbroschur beherrscht wurden.

So groß und so stabil ist diese Dominanz geworden, dass für die Spiegel-Bestsellerliste vom 1. Oktober dieses Jahres an neue Maßstäbe gelten sollen. Denn wie viel Aufmerksamkeit kann eine solche Liste noch auf sich ziehen, wenn immer dieselben Bücher darauf stehen? Deswegen werden die Bücher mit Klappbroschur bald den Taschenbüchern zugeschlagen werden. Dadurch aber entsteht eine ganze Reihe von neuen Problemen: Denn ein großer Teil der Klappbroschuren enthielt Erstausgaben - was man auch an ihrem Preis bemerken konnte, der in der Regel nicht weit unter dem für ein Buch mit Hardcover liegt.

Diese Erstausgaben werden jetzt mit den Zweitverwertungen in einen Topf geworfen. Außerdem war die Klappbroschur binnen kurzer Zeit für alle Akteure des Buchmarkts zu der idealen Buchform geworden, um in der Unterhaltungsliteratur neue Autoren durchzusetzen. Gleichzeitig wurde es auf dem Massenmarkt - jenseits von Ausnahmeautoren wie Henning Mankell und Donna Leon - immer schwieriger, unbekannten Namen im festen Einband zu Ruhm und Aufsehen zu verhelfen. Wodurch sich für die Publikumsverlage das Problem so darstellt: Wenn man neue Autoren nicht mehr in der Klappbroschur durchsetzen kann, weil diese bald in den reinen Taschenbüchern untergehen werden - wo dann?

Innerhalb der Branche gehörte diese Frage auf der Buchmesse in Leipzig zu den meistdiskutierten Problemen. Sicher ist schon, dass die Klappbroschur verschwinden wird und einige Taschenbuchverlage, allen voran der Deutsche Taschenbuchverlag (dtv), bald auch Hardcover publizieren werden. Sehr wahrscheinlich ist auch, dass die Hardcoververlage mit neuen Formaten reagieren werden, etwa in Gestalt von Pappeinbänden mit Schutzumschlag. Denn es will ja keiner den Zugang zur Bestsellerliste verlieren, in der das bloße Erscheinen auf einem der ersten zehn Ränge schon die Garantie für weitere Erfolge enthält.

Was aber werden nun die Menschen tun, die beim Spiegel beschließen müssen, welches Buch ein Hardcover sein darf und welches ein Taschenbuch sein muss? Sie werden viel zu entscheiden haben, wobei die Idee, eine eigene Bestsellerliste für die Klappbroschur zu schaffen, bestimmt nicht der beste Einfall ist - denn so würde eine Vervielfältigung der Listen nach Maßgabe der Buchtypen beginnen. Und noch war vom E-Book gar nicht die Rede.

© SZ vom 20.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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