Süddeutsche Zeitung

Streit um "Spider-Man":Verlieren die Avengers bald Spider-Man?

  • Die Rechte zu "Spider-Man", eine der beliebtesten Comicfiguren der Sechziger Jahre, liegen zwar bei Sony. Trotzdem ist die Figur inzwischen fester Bestandteil des Avenger-Universums der Marvel Studios - und die gehören mittlerweile zu Disney.
  • Nun könnte es passieren, dass die Figur des Spider-Man sich von den Avengers verabschieden muss - wegen eines Streits um Geld zwischen Sony und Disney.

Von Nicolas Freund

Superhelden erzählen nie nur ihre eigene Geschichte. Mehr als andere fiktionale Charaktere sind sie Figuren ihrer Zeit. Es ist kein Zufall, dass der patriotische Captain America seinen ersten Auftritt während des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1941 hatte. Gerade hat der Comic-Autor Art Spiegelman im "Guardian" daran erinnert, dass die Comichelden dieser Jahre auch eine Reaktion auf den Faschismus waren. In der Gegenwart sind die Filme und Comics mit Wonder Woman, Black Panther und Captain Marvel inzwischen sehr viel diverser geworden, als es Captain America noch war. In den Abenteuern der Superhelden spiegeln sich die gesellschaftlichen Themen und Diskussionen ihrer Zeit.

Das Besondere an Spider-Man war nun immer, dass er als Charakter gar nicht so besonders ist. Wenn er sich nicht im Spinnenkostüm durch die Häuserschluchten schwingt, ist er ein ganz normaler Schüler oder später ein frei arbeitender Fotoreporter, mit allen Problemen und Nebensächlichkeiten, die dieser Beruf mit sich bringt. Spider-Man entwickelte sich seit seinem ersten Auftritt in den Sechziger-Jahren zu einer der beliebtesten Comicfiguren überhaupt, weil die Leser sich und ihre alltäglichen Probleme in ihm wiedererkennen konnten, trotz der Superkräfte.

Die Lücke des fehlenden Spider-Man in den ersten "Avengers"-Filmen war deshalb ziemlich groß. Und hatte auch gar keine inhaltlichen, sondern nur wirtschaftliche Gründe. Vor dem Erfolg seiner eigenen Filme um damals noch sehr marginale Superhelden wie Iron Man und Thor hatte Marvel nämlich die Rechte an seinen beliebten Figuren wie Spider-Man und den X-Men an andere Studios verkauft. Die "Spider-Man"-Rechte landeten schließlich bei Sony, die mit der Lizenz drei sehr erfolgreiche Filme mit Sam Raimi als Regisseur und Tobey Maguire als Spinnenheld drehten.

2012 und 2014 folgte ein wesentlich weniger erfolgreicher Neustart von Marc Webb mit Andrew Garfield in der Hauptrolle. Wahrscheinlich auch wegen des im Gegensatz zu diesem Neuanfang immensen Erfolgs der Marvel-Filme, gab es 2017 die dritte Neuauflage von "Spider-Man" in nur 15 Jahren, diesmal eingebettet ins "Avengers"-Filmuniversum. Der Film hieß dann auch gleich "Homecoming", obwohl in dem Film niemand nach Hause kommt, außer Spider-Man ein paarmal aus der Schule.

Schwerer als ein weiterer "Spider-Man"-Film wog die Tatsache, dass er jetzt für Marvel und unter der Aufsicht des "Avengers"-Chefproduzenten Kevin Feige auf Verbrecherjagd ging. Deshalb "Homecoming". Es folgten Auftritte in "Avengers: Infinity War", "Avengers: Endgame" sowie ein weiterer eigener Film und davor gab es schon 2016 einen kleinen Auftritt in "Captain America: Civil War". Spider-Man ist jetzt Teil des kreuz und quer gesponnenen Superhelden-Netzwerks von Marvel - wo er eigentlich auch hingehört.

Ganz nach Hause scheint "Spider-Man" nun aber doch nicht gekommen zu sein. Denn trotz der Zusammenarbeit mit Marvel Studios, die inzwischen zu Disney gehören, liegen die Rechte an der Figur nach wie vor bei Sony. Wie Sony am Dienstag mitteilte, wird Feige nicht an den weiteren geplanten "Spider-Man"-Filmen mitarbeiten, was praktisch bedeutet, dass "Spider-Man" auch nicht mehr Teil der Welt der "Avengers" ist.

Branchendienste berichten, dass es bei der Entscheidung, die Zusammenarbeit zu beenden, vor allem um Geld gegangen sein soll. Disney soll vorgeschlagen haben, Kosten und Einnahmen zu gleichen Teilen zwischen den Studios aufzuteilen, was für Sony, die mit den "Spider-Man"-Filmen und dem Ableger "Venom" großen Erfolg hatten, ein schlechter Deal gewesen wäre. Bisher sollen sie nur fünf Prozent der Einnahmen an Disney abgegeben haben.

Deshalb sieht es so aus, als müsse sich "Spider-Man" von den vielen neuen Freunden bei den "Avengers" wieder verabschieden und sich mit den Figuren begnügen, die Sony einst mit seiner Lizenz erwarb. Wie genau die angerissenen Geschichten und Figurenbeziehungen aus den letzten Marvel-Filmen dann aufgelöst oder weitergeführt werden sollen, ist noch unklar. Aber Superhelden erzählen eben nicht nur ihre eigenen Geschichten, sondern immer auch die der Wirtschaftsunternehmen, zu denen sie gehören. Und das verrät dann vielleicht auch wieder viel über die Gegenwart, aus der diese Helden stammen.

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