Venedig zeigt Lady-Diana-Film "Spencer":Nicht nur lieblich

Spencer Filmstill

Es reicht, dass Kristen Stewart im Film "Spencer" ab und an den Kopf ein bisschen schieflegt, um an Prinzessin Diana zu erinnern.

(Foto: KomplizenFilm; DCM)

Weltpremiere des heiß erwarteten Lady-Diana-Films in Venedig: "Spencer" von Pablo Larraín zeigt sie als eine Frau, die fürs Dienen nicht geschaffen ist.

Von Susan Vahabzadeh

Milliarden Menschen sind seit Tausenden Jahren beim falschen Partner gelandet und konnten nicht einfach fort - aus finanzieller Abhängigkeit, gesellschaftlicher Konvention oder manchmal sogar Verantwortungsgefühl. Warum eigentlich beschäftigt seit einem Vierteljahrhundert eine Frau die Gemüter, der es nicht anders erging?

Pablo Larraíns Film über diese Frau, Lady Diana Spencer, hat eine Antwort darauf. "Spencer" erzählt von Dianas letztem Weihnachten mit der königlichen Familie auf Schloss Sandringham, wo sie eine stille Rebellion betreibt - durch Zuspätkommen, falsche Kleider Anziehen, und Erbrechen in Kloschüsseln. Verkörpert wird Lady Di von Kristen Stewart, die selbst eine etwas tragische Figur ist, seit ihre Liebschaften in der Öffentlichkeit ausgestellt wurden.

Charles nimmt Diana einmal im Billardzimmer zur Seite und sagt: "Was du nicht verstehst, ist, dass es uns zweimal geben muss. Eine öffentliche Person und einen Menschen - das Volk will nicht, dass wir Menschen sind." Genau dafür hat das Volk sie aber geliebt - dass sie die Etikette über Bord warf und ihren Macken freien Lauf ließ. Er sagt in der Szene allerdings noch etwas anderes, als sie sich darüber beklagt, dass die Klatschpresse nur ihr nachstelle. Meine Vorhänge, sagt Charles, sind halt immer zugezogen.

"Spencer" ist von allen Filmen im Wettbewerb der 78. Filmfestspiele von Venedig am nächsten dran an einem deutschen Wettbewerbsbeitrag; es steckt viel deutsche Förderung in dem Projekt, Schloss Sandringham wird unter anderem vom hessischen Schloss Friedrichshof gedoubelt. Man könnte behaupten, dass das Schloss die zweite Hauptrolle spielt - "Spencer" bleibt an einem Ort, und Larraín geht der störenden Omnipräsenz der restlichen Königsfamilie aus dem Weg, in dem er nur Charles und die Queen überhaupt richtig auftreten lässt. Ansonsten dreht sich halt alles um Diana, in der der Gedanke reift, jetzt endlich abzuhauen - am Anfang des Films ist sie schon ausgebüxt und heimlich mit ihrem Sportwagen von Kensington losgefahren, auch wenn sie den Weg gar nicht so recht findet und die Menschen in einem Café schockiert, als sie einfach dort hineinspaziert, um zu fragen, wo zum Teufel sie eigentlich ist.

In diesem Film ist Diana ständig auf Krawall gebürstet

Der Chilene Pablo Larraín - er hat unter anderem den Film "El Club" über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche gemacht, der 2015 bei der Berlinale den Großen Preis der Jury bekam - nennt seinen "Spencer" im Vorspann eine von wahrer Tragödie inspirierte Fabel. Er spekuliert also, macht sich seinen Reim auf das, was in Sandringham passiert sein könnte bei diesem letzten gemeinsamen Weihnachtsfest.

Larraíns Diana ist nicht nur lieblich, er inszeniert sie als enervierend und neben der Spur, ständig auf Krawall gebürstet. Kristen Stewart spielt das hervorragend, gerade so, dass man sie noch mag und sich nicht fragt, ob es wirklich ein so grausiges Schicksal ist, wenn eine Heerschar von Küchenhilfen angewiesen wird, um Himmels willen etwas zu essen aus den vom Militär gelieferten Lebensmitteln zu fabrizieren, was sie, allein sie, wirklich will.

Das verlorene Mädchen will all die Kleider haben, aber Diana mag es nicht, wenn man ihr sagt, welches sie tragen soll; und die Traditionen und verstaubten Regeln des Königshauses gehen ihr auf den Geist. Schlimmer aber noch findet sie die permanente Kontrolle - vor allem durch Major Gregory (Timothy Spall), der eigens herbeigeschafft wurde, um den nahenden Skandal mit soldatischer Ergebenheit in Schach zu halten. Aber Diana spielt nicht mit: Alles, was sie tut und sagt, wird gleich weitererzählt, es wird reagiert, sobald sie sich vor offenen Vorhängen auszieht oder im Klo einsperrt, wo sie die herrlichen Soufflés und Cremesuppen wieder ausspuckt, unfähig zu erkennen, wie viel Fürsorge hinter der Kontrolle steckt.

So entsteht dann doch keine reine Hommage an Lady Di auf der Leinwand, sondern das ambivalente Porträt einer fragilen Frau und leidenschaftlich liebevollen Mutter, das auf Schuldzuweisungen verzichtet. Die Queen und der Major sagen ihr auf unterschiedliche Art dasselbe - sie ist eine Dienerin des Volkes. Dafür ist sie zu kapriziös. Sie will nicht dienen, sie will geliebt werden. Freigeist trifft auf militärische Ordnung, und die Ordnung gewinnt.

Es gibt Momente, da denkt man, Larraín habe sich doch im Diana-Mythos verloren - die hinzufantasierte Ann Boleyn beispielsweise ist ein Balanceakt am Rande des Kitsches: Diana empfindet sie als Schwester im Geiste, obwohl sie ja eigentlich niemand einen Kopf kürzer machen will. Aber Larraín kriegt immer wieder elegant die Kurve. Für sich genommen, jenseits allen Abgleichs mit der Wirklichkeit, hat er einen wunderbaren Film gemacht.

Die Frage ist, ob man tatsächlich glaubt, dass Diana so geistreich und witzig war, wie Larraín sie sich vorstellt. Einmal verjagt sie eine Zofe aus dem Schlafzimmer, die sie eindeutig für die Monarchie-Bewacher bespitzelt, indem sie in zickig-reserviertem Tonfall sagt: "Gehen Sie bitte, ich möchte masturbieren." Ob dieser Dialog der echten Diana zuzutrauen wäre? Vielleicht eher nicht. So cool ist sie nicht gewesen. Das war ja das Problem.

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