Spektakuläres Kunstwerk in New York:Den Niagarafällen so nah

Unhörbares Tosen über dem Fluss: Olafur Eliassons Installation "New York City Waterfalls" simuliert wilde Natur an den Ufern der Inselstadt. Von Jörg Häntzschel

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New York City Wasserfälle

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Unhörbares Tosen über dem Fluss: Olafur Eliassons Installation "New York City Waterfalls" simuliert wilde Natur an den Ufern der Inselstadt. Von Jörg Häntzschel

Nicht weiter beachtet von den Morgenpendlern hatte irgendwo irgendjemand am trüben Donnerstagmorgen in New York auf den Knopf gedrückt und die Pumpen in Gang gesetzt. Dann begann das Wasser von den 30 und 40 Meter hohen Gerüsten in den East River zu pladdern, unhörbar über dem Lärm von Frachtschiffen und Pendler-Helikoptern - und als sei es immer schon so gewesen.

Zwischen Pier 4 und 5 (Brooklyn)

Fotos, wenn nicht anders angegeben: www.nycwaterfalls.com

New York City Waterfall

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Nichts daran ist monumental, man darf ruhig weiter atmen, die Schifffahrt wird nicht beeinträchtig. Und genau so wollte es Olafur Eliasson, der dänisch-isländische, in Berlin arbeitende und wohl populärste Künstler der Gegenwart, mit seinem bislang ambitioniertesten Projekt. Es ist nicht mehr als sehr viel Wasser,das unsichtbar hochgepumpt wird und dann aus großer Höhe als bewegter Vorhang dorthin fällt, wo es her kam: in den Fluss.

Zwischen Pier 4 und 5 (Brooklyn)

New York City Wasserfälle

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Einer der Wasserfälle, die nun bis Mitte Oktober täglich von morgens bis nach Einbruch der Dunkelheit ihre weiße Fahne flattern lassen, steht unter der Brooklyn Bridge, einer an der Stadtautobahn FDR Drive an Manhattans Ostkante, einer halb versteckt hinter Lagerhallen an der Uferpromenade von Brooklyn und ein vierter vor Governor's Island, jener erst seit ein paar Jahren wieder zugänglichen Insel im New Yorker Hafen.

Lageplan

New York City Wasserfälle

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Gemeinsam markieren sie hier, in diesem Dreieck aus verschmutztem Wasser, dem die Stadt immer den Rücken zugedreht hat, einen imaginären Raum. Seht mal, Eure Stadt!, scheinen sie zu sagen, Ihr habt ja ganz vergessen, wie großartig sie ist!

Zwischen Pier 4 und 5 (Brooklyn)

New York City Wasserfälle

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Bis das Projekt, das Eliasson mit dem umtriebigen Public Art Fund realisierte, die Kanäle der städtischen Bürokratie durchlaufen hatte, sind - trotz der vehementen Unterstützung des für Publicity-wirksame Ideen immer offenen Bürgermeisters Bloomberg mehr als zwei Jahre vergangen.

Brooklyn Bridge (Brooklyn)

Foto: ddp

Olafur Eliasson

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Wie die Fische vor den Pumpen schützen? Woher politisch korrekten Strom nehmen? Und woher das Geld, für das keine öffentlichen Töpfe zur Verfügung standen. Das überraschendste ist nun, dass man dem Projekt seine 200 Mitarbeiter, die 15 Millionen Dollar, die es verschlang, die Legionen von Sponsoren - und den ganzen Irrwitz des Unterfangens nicht ansieht.

Olafur Eliasson vor der Brooklyn Bridge

Foto: AP

New York City Wasserfälle

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Wie bei allen seinen Arbeiten entgeht Eliasson auch hier dem Kitsch, in dem er seine spektakulären Effekte mit simplen und transparenten Mitteln realisiert. Er verwendet dieselben Gerüste, die man auf jeder New Yorker Baustelle findet. Und die fast unsichtbaren Konstruktionen, die er daraus bauen ließ, ähneln in ihren Dimensionen den Bauten der Umgebung und gliedern sich ein in das städtische Häusergewürfel. Stößt das Auge dann auf einen der breiten, vom Wind gekrümmten Streifen aus Gischt, ist die Überraschung um so größer.

Brooklyn Bridge (Brooklyn)

New York City Wasserfall

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Am raffiniertesten ist das bei jenem Wasserfall zu sehen, der - wie eine surrealistische Fotomontage, wie ein Bild von MC Escher oder wie eine nicht auf Anhieb nachvollziehbare Besonderheit der Brückenkonstruktion - so unter der Brooklyn Bridge platziert ist, dass das Wasser aus der Oberkante eines ihrer Pfeiler zu strömen scheint. Wie anders dagegen noch Christos verpackter Reichstag, dessen silberne Planen das Bauwerk zum glamourösen, ikonenhaften Fremdkörper in der Stadt machten, zu einem Bild.

Brooklyn Bridge (Brooklyn)

New York City Wasserfälle

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Natürlich - dies auch zur Beruhigung all derer, die nun vielleicht die Geld- und Stromverschwendung im Namen von Kunst, von "Kunst"! beklagen werden - steht Eliasson in der langen Tradition öffentlicher Wasserspiele, Springbrunnen und Fontänen.

Governors Island

new York City Wasserfälle

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Doch während diese fast immer ein Moment der Vernatürlichung oder eine Art szenischer Rechtfertigung für das Fließen und Spritzen enthielten, lässt Eliasson nicht den geringsten Zweifel an der Künstlichkeit seiner Konstruktion.

Governors Island

New York City Wasserfälle

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Umso mehr konfrontiert er einen hier mit der Frage nach Kultur und Natur: Schließlich kommt das Wasser direkt aus dem Fluss, nicht aus der Leitung; und schließlich hilft die Kultur nur beim Pumpen, während Schwerkraft und Wind die eigentliche Arbeit machen.

Governors Island

New York City Wasserfälle

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Gleichzeitig hält er Manhattan vom Fluss aus einen Spiegel vor: Die Stadt, die sich schon immer in Naturmetaphern beschrieb - Häuserschluchten, Wolkenkratzer, Großstadtdschungel - wird plötzlich mit einer ins Konkrete rückübersetzten Variante ihrer Vorstellung von sich selbst konfrontiert.

Pier 35 (Manhattan)

Foto: AP

New York City Wasserfälle

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Eliassons wie physikalische Experimente inszenierte "Natur"-Phänomene sind für ihn vor allem Medien einer Erfahrung von Kollektivität. Ob in der Londoner Tate Modern, wo 2003 über zwei Millionen Menschen sein bislang erfolgreichster Werk, "The Weather Project", oder dieser Tage, in seiner großen Retrospektive, die noch bis Ende des Monats im New Yorker MoMA und dessen Zweigstelle PS 1 gezeigt wird: Vor Eliasson-Arbeiten legen sich erwachsene Menschen zu Dutzenden auf den Fußboden, erschaudern in Gruppen, verstummen saalweise.

Pier 35 (Manhattan)

New York City Wasserfälle

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Eine weniger esoterische, dafür abenteuerlustigere Variante dieser typischen Reaktionen ist rund um die Wasserfälle zu erwarten, wenn New Yorker und Touristen die ihnen beiden gleichermaßen fremde "Waterfront" während der nächsten Monate nach den besten Aussichtspunkten erkunden werden.

Pier 35 (Manhattan)

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Eliassons künstliche Sonne in der Tate, sein nach oben fallender Wasserfall im PS 1, auch sein von Eis überzogenes "Art Car", das zur Zeit im Münchner Haus der Kunst zu sehen ist, waren Experimente mit einer unter Laborbedingungen erzeugten Natur.

Ein weiteres von Eliassons Experimenten mit der Natur: Drehender Dufttunnel, Wolfsburg, 2004.

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Seine New Yorker Wasserfälle sind etwas ganz anderes. Erstmals macht er die Stadt zu seinem Material. Subtiler hat man die sonst so gefürchtete Kunst im öffentlichen Raum selten gesehen.

Begehbare Installation, Kunstbau München, 2006.

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"New York Waterfalls", bis zum 13. Oktober täglich von 7.00 bis 22.00 Uhr, Dienstag und Donnerstag von 9.00 bis 22.00 Uhr. Info: http://www.nycwaterfalls.org

"Take your time: Olafur Eliasson" noch bis zum 30. Juni im Museum of Modern Art und P.S.1, New York, täglich 10.30 bis 17.30 Uhr, Freitag bis 20.00 Uhr. Info: http://www.moma.org/

Olafur Eliasson schaut durch seine Installation "Your compound space", Zentrum für Kunst - und Medientechnologie, Karlsruhe 2001.

(SZ v. 27.6.2008)

Foto: dpa

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