Süddeutsche Zeitung

Sparmaßnahmen der Regierung:Spaniens Kunstszene ächzt unter der Krise

Sogar das weltberühmte Museum Prado muss sparen. Galeristen, Museen und die Künstler selbst leiden unter der spanischen Finanzkrise. Einige Künstler jedoch wollen nicht nur Opfer sein und wehren sich mit ihren Mitteln.

Von Karin Janker

Riesige Portraits von Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy und König Juan Carlos schieben sich durchs Bild. Sie sind kopfüber auf den Dächern schwarzer Mercedes-Limousinen montiert und fahren durch die breiten Avenidas in Madrids Zentrum. Die Kamera begleitet die Prozession der "Encargados" in der gleichnamigen Video-Installation des spanischen Konzeptkünstlers Santiago Sierra.

Das Werk des provokanten Künstlers wird ab September im Hamburger Bahnhof in Berlin zu sehen sein. Grund dafür ist auch, dass es in Spanien bisher keinen Käufer fand und deshalb von der Galeristin Helga de Alvear nach Deutschland verliehen wird. "Ich gehöre noch zu den Glücklichen, denn ich verkaufe zumindest hin und wieder etwas. Der eigentliche Kunstmarkt aber hat Spanien inzwischen verlassen - wie beinahe alle Künstler, die Beine haben", sagt Sierra zu SZ.de.

Grund dafür sind vor allem Sparmaßnahmen, zu denen sich die Regierung Rajoy angesichts der Wirtschaftskrise im Land gezwungen sieht. Vor einem Jahr hat die Regierung die Mehrwertsteuer auf Kunst von acht auf 21 Prozent erhöht. Die spanische Kunstwelt ging gegen diese Steuererhöhung auf die Straße - abwenden konnte sie sie nicht. Carles Duran, Präsident des Galeristenverbandes von Barcelona, prognostizierte im Juli 2012 gegenüber der Tageszeitung El País einen Rückgang der künstlerischen Aktivität um 60 Prozent und die Schließung von 20 Prozent der Galerien.

Auch der Prado muss sparen

Tatsächlich schrumpfte der spanische Kunstmarkt auch schon in den Jahren zuvor, als die Krise immer größere Ausmaße annahm. Die Stiftung Arte y Mecenazgo, die zur Caixa-Bank gehört, errechnete einen Rückgang um 44 Prozent in den Jahren von 2007 bis 2009. Zuvor allerdings hatte es einen Boom gegeben. In fünf vorhergehenden Jahren war der Markt für Kunst um 200 Prozent gewachsen.

Der Kunstmarkt ist in Spanien auch wirtschaftlich keine unwichtige Größe. Die Stiftung schätzt, dass mindestens 12.000 Menschen im Kunstbereich arbeiten, er macht etwa vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Aufgrund der aktuellen Krise beurteilt der Stiftungs-Bericht den spanischen Kunstmarkt allerdings als sehr instabil.

Sogar das weltberühmte Prado-Museum, Touristenmagnet und eines der Wahrzeichen der Hauptstadt, blieb von den Sparmaßnahmen der Regierung nicht verschont. Zwischen 2010 und 2013 wurde das Jahresbudget von 47 auf 38 Millionen Euro gekürzt. Auch das Madrider Reina Sofía Museum erhielt im gleichen Zeitraum etwa 45 Prozent weniger Geld vom Staat.

Nicht nur die Akteure und Institutionen der Bildenden Kunst leiden unter den Entwicklungen. Die deutsche Musikerin Juliane Heinemann lebt in Barcelona und berichtet ebenfalls von Einschnitten im Kulturbereich: "Es wird weniger Gage gezahlt, es gibt weniger Stipendien, weniger Konzerte und Festivals." Sie müsse deshalb in mehreren Bands spielen, um genug zu verdienen. Auch über eine Rückkehr nach Deutschland hat Heinemann angesichts dieser Schwierigkeiten bereits nachgedacht, einige ihrer Kollegen hätten Spanien bereits verlassen.

Viele Künstler in Spanien wollen aber weder weglaufen noch die Krise als passive Opfer über sich ergehen lassen. Sie begehren auf und richten ihre Kritik gegen die, die ihrer Meinung nach die Verantwortung für ihre Probleme tragen. Santiago Sierras Videoinstallation "Los Encargados" vertritt einen klaren politischen Standpunkt angesichts der momentanen Wirtschaftskrise: Schuld sind die Politiker und die Chefs der Banken. Deren Konterfeis lässt Sierra durch die Straßen der Stadt tragen und schafft so seine eigene Form des Prangers.

Künstler sind zunehmend auf Banken als Sponsoren angewiesen

Gegen die Banken richtet sich auch die junge Künstlerin Núria Güell aus Barcelona mit ihrer Aktionsserie "Intervención". Darin greift sie die Geldhäuser an und kritisiert die Zwangsräumungen der vergangenen Monate, bei denen Familien ihre Häuser verlassen müssen, weil sie ihre Kreditzinsen nicht mehr bezahlen können. (Ein Beispiel für eine ihrer Aktionen finden Sie hier.)

Weniger etablierte Künstler wie Núria Güell stehen allerdings vor einem Problem. Da der spanische Staat die Kunstförderung massiv zurückfährt, sind Künstler verstärkt auf Banken und Konzerne als Sponsoren und Förderer angewiesen. Wer von diesen Geld erhalten will, sollte seine Systemkritik nicht allzu grundsätzlich formulieren.

Das berühmte Caixa Forum in Madrid beispielsweise, gebaut von der gleichnamigen Bank, verlegt sich statt der politisierten Gegenwartskunst in seiner aktuellen Ausstellung auf eine ferne Vergangenheit - und beschäftigt sich mit Mesopotamien.

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