Süddeutsche Zeitung

Spanien:Imperiale Witzfiguren

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Spielfilm, Doku und Skulptur: Der spanische König Felipe und sein Vater und Vorgänger Juan Carlos werden in gleich mehreren Kunstwerken scharf kritisiert und lächerlich gemacht.

Von Thomas Urban

Für das spanische Königshaus war 2018 ein schreckliches Jahr: Der Schwager des Königs wegen Betrugs, Geldwäsche und Urkundenfälschung im Gefängnis; pikante Enthüllungen über das vom Steuerzahler finanzierte Luxusleben des abgedankten Königs Juan Carlos; Berichte über einen schweren Konflikt zwischen Königin Letizia und Ex-Königin Sofia. Vieles spricht dafür, dass 2019 kaum besser wird. Im Fokus steht dabei wieder einmal Juan Carlos I., seit vier Jahren Ex-König, dieses Mal als Hauptfigur eines Spielfilms, der einige seiner Affären und Skandale genüsslich ausbreitet. Und auch sein Sohn Felipe VI., der ihm auf den Thron gefolgt ist, wurde nun erstmals Gegenstand mehrerer Werke, über die die Kunstwelt diskutiert, allerdings, wie beim Vater, in einer Weise, die das Königshaus, eher wenig erfreut. Denn die ihm gewidmeten Werke fallen in die Rubriken Satire und Groteske.

Im vergangenen November hatte das Königshaus hinnehmen müssen, dass auf den Filmfestspielen von Sevilla der Film "El Rey" (Der König) seine Premiere erlebte und zu einem Publikumsrenner avancierte. Es handelt sich um die über Crowdfunding finanzierte Filmversion des gleichnamigen düsteren Dramas aus der Feder des bekannten Schauspielers Alberto San Juan, uraufgeführt zwei Jahre zuvor. San Juan, der der linksalternativen, antimonarchistischen Gruppierung Podemos nahesteht, hat den Rahmen eines Kammerspiels beibehalten. Das einzige Szenenbild zeigt den alten Juan Carlos allein im Dunkel, nur von einem Scheinwerfer angestrahlt, auf einem thronartigen Sessel sitzend, heimgesucht von den Geistern seiner Vergangenheit.

Fast vier Jahrzehnte war er Staatsoberhaupt Spaniens, und an seinem Lebensabend muss er feststellen, dass von all den Dingen, denen er nachgejagt hat, nichts geblieben ist. Er ist alt, krank und einsam, sein Ruf ruiniert. Seine Frau Sofia, eine Urenkelin des letzten deutschen Kaisers, die ihm all die Jahre mit eiserner Disziplin zur Seite gestanden hat, lebt getrennt von ihm. All seine Frauengeschichten hat sie ertragen, so lange diese ein Hofgeheimnis blieben, das deutet der Film an. Doch als Juan Carlos auf dem Höhepunkt der schweren Wirtschaftskrise 2012, begleitet von seiner deutschen Geliebten, auf einer Luxussafari einen Elefanten schoss, fing die bis dahin in Sachen Casa Real sehr zurückhaltende spanische Presse an, kritische Berichte über den notorischen Fremdgeher zu veröffentlichen.

Da er seine Geliebte nicht verlassen wollte, so wollen es die Hofberichterstatter wissen, wurde er von seinen drei Kindern zur Abdankung gedrängt. Die vielbetrogene Sofia aber ist heute den Umfragen zufolge das beliebteste Mitglied des Königshauses, was manche Kommentatoren als Beleg für das Ende der spanischen Macho-Kultur sehen, die Don Juan stets als Vorbild feierte. Mittlerweile ist ein halbes Dutzend Juan-Carlos-Biographien erschienen, sämtliche Autoren gehen ungnädig mit ihm um.

Selten gab es für den König einen so peinlichen Moment wie auf der Kunstmesse in Madrid

Die Casa Real dürfte es gefreut haben, dass "El Rey" in der Berichterstattung über das Filmfestival von Sevilla nur eine untergeordnete Rolle spielte und anschließend nur in einigen Programmkinos aufgeführt wurde. Doch nun kam die Nachricht vom spanischen Internetportal Filmin, dass er in den ersten beiden Monaten 2019 zu den am meisten heruntergeladenen Filmen gehörte. So hat eine neue Diskussion über die Regentschaft dieses Königs eingesetzt, der sich, wie der Film zeigt, für die Geschicke der Bürger seines Landes kaum interessierte und überdies an korrupten Geschäften beteiligt war. Auch gibt "El Rey" einer weiteren Debatte, die die Casa Real gern vermeiden würde, einen kräftigen Impuls: Die spanische Monarchie ist ein Erbe der Franco-Zeit. Der Diktator taucht als groteske Karikatur mit Sonnenbrille in dem Film auf und macht mit seiner kuriosen Fistelstimme seinem einstigen Favoriten Vorhaltungen. In seinem Testament hatte der ebenso bigotte wie gnadenlose Franco, der im Bürgerkrieg die Spanische Republik zerschlagen hatte, Juan Carlos zum König bestimmt. Ausgerechnet in der Dauerkrise um die katalanischen Separatisten, die für eine souveräne Republik streiten, ist das Thema wieder hochgekocht. Auch aus dem linken Spektrum in Madrid werden die Stimmen immer lauter, die wieder nach der Republik rufen.

Felipe VI., dem weder das Temperament, noch die Jovialität und der rustikale Mutterwitz seines Vaters gegeben sind, wirkt hilflos angesichts der "Welle der Respektlosigkeit", wie es ein Kommentator des königstreuen Traditionsblatts ABC beklagte. Der König macht sich rar in den Medien, nachdem im vergangenen Jahr eine PR-Kampagne der Casa Real wirkungslos verpufft ist. Zu den Kernstücken gehörte eine Homestory über die königliche Familie für das Fernsehen, die sie wie Leute von nebenan porträtierte: Man löffelt mittags Suppe und sorgt sich um die Schulnoten der Kinder. Einige Kommentatoren fragten hämisch, wozu das Land einen König unterhalten solle, wenn der so ist wie ein Normalverbraucher; andere nannten den Film eine Manipulation, weil keiner der zahlreichen Bediensteten dieser "normalen Familie" gezeigt wurde. Wie volksfern Felipe ist, zeigte auch seine bizarre Idee, der zwölfjährigen Kronprinzessin Eleonor zu seinem 50. Geburtstag einen der höchsten Verdienstorden des Landes zu verleihen. Für welche Verdienste, darauf wusste selbst das Hofamt keine Antwort.

Bislang konnte sich die Casa Real auf die großen Parteien verlassen, die verteidigen nun einmal die Verfassung - und segneten die üppigen Haushaltspläne für den Königshof ab. Der sozialistische Premierminister Pedro Sánchez hat sich gar "freundschaftlicher Beziehungen" zu Felipe gerühmt. Doch nun hat Sánchez einen Akzent gesetzt, der Zweifel an seiner Königstreue aufkommen lässt, und dafür die hohe Kunst bemüht. Er besuchte das Grab des berühmten Dichters Antonio Machado im südfranzösischen Collioure. Es ist mit der rot-gelb-violetten Fahne der Republikaner geschmückt. Denn Machado stritt für die Republik und musste vor den Schergen Francos ins Exil fliehen.

Auf der Madrider Kunstmesse Arco, die er gemeinsam mit seiner Frau Letizia Anfang März besuchte, kam es besonders hart für Felipe. An prominenter Stelle stand eine vier Meter hohe lebensechte Felipe-Statue. Die beiden Künstler Santiago Sierra und Eugenio Merino nannten ihr Werk "Ninot", so heißen die Riesenpuppen von Politikern, die traditionell im Karneval von Valencia verbrannt werden. Sierra machte zuletzt auf der Arco 2018 Schlagzeilen, als er Porträts inhaftierter katalanischer Separatisten in einer Fotoserie mit dem Titel "Politische Gefangene" ausstellte. Merino hatte zuletzt mit einer Franco-Puppe, die im Kühlschrank liegt, die fehlende Aufarbeitung der Diktatur angeprangert. Im Falle des Riesen-Felipes macht den Skandal die Bedingung aus, die die Künstler den potenziellen Käufern stellen. Die Statue, angeboten für 200 000 Euro, müsse spätestens zwölf Monate nach Erwerb verbrannt werden, so wie die Ninots von Valencia. Konservative Kommentatoren sahen darin einen symbolischen Anschlag auf die Verfassung, die ja die Monarchie festschreibt.

Da wollte der finnische Künstler Riiko Sakkinen, Begründer des satirischen "Turbo-Realismus", der in einem Dorf bei Toledo lebt, nicht zurückstehen. Er schuf ein Plakat mit dem Titel "Unsere Lieblingskönige". Es zeigt den drögen Felipe VI. in Admiralsuniform, die Arme in Abwehrhaltung verschränkt. Daneben sind aufgelistet: die Heiligen Drei Könige, König Löwe, Tyrannus Rex, Larry King, B.B. King, Nat King Cole, The King of Pop und einige mehr. Am Ende der Reihe stehen, weltweit beliebt, King Kong und Burger King.

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SZ vom 12.03.2019
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