Sozialistische Kolossal-Architektur:Schmutziger Zauber

Der sehr spezielle Charme sozialistischer Bauten: Gleich zwei Bildbände feiern die Ostblock-Architektur - und bieten erstaunliche Einblicke in eine bizarr-fantastische Kreativität.

Bilder.

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Quelle: Frédéric Chaubin

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Lange galten sie als graue, gesichtslose Kästen - jetzt entdecken immer mehr Fotografen den sehr speziellen Charme sozialistischer Bauten. Gleich zwei jüngst erschienene Bildbände feiern die Ostblock-Architektur - und bieten erstaunliche Einblicke.

Das "Hotel Kasachstan" in Almaty? Das Nebengebäude der Arena von Dnjepropetrowsk in der Ukraine? Oder das Georgische Ministerium für Autobahnen? Bislang haben es all diese Gebäude nicht zu architektonischem Weltruhm gebracht. Im Gegenteil, "Ostblock-Bauten" gelten als grau, gesichtslos und einfach nur hässlich.

Inspiriert von den Utopien des Suprematismus: Das Georgische Ministerium für Autobahnen. 

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Quelle: Taschen-Verlag

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Zwei Fotografen haben sich nun aufgemacht, dieses Image aufzupolieren. Ihre Bildbände bieten eindrucksvolle und überraschende Einblicke in die sozialistische Architektur und zeigen, dass auch in so mancher "Platte" jede Menge Kreativität steckt. Roman Bezjak - in Slowenien geborener Professor an der Fachhochschule Bielefeld - und der in Frankreich lebende Publizist Frédéric Chaubin gehen dabei völlig unterschiedlich an ihre Objekte heran.

Chaubin sucht das Spektakuläre und weiß es dramatisch zu inszenieren. Häufig benutzt er die Froschperspektive, wodurch die monumentalen Bauwerke noch größer wirken. Sein schwerer und mehr als 30 Zentimeter hoher Bildband "CCCP - Cosmic Communist Constructions Photographed" aus dem Taschen-Verlag unterstreicht diese Herangehensweise mit großformatigen, glänzenden Fotos.

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Quelle: Frédéric Chaubin

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Ob ein Institut, das aussieht, als sei es Teil einer Rakete, ...

Das Institut für Robotertechnik und technische Kybernetik in St. Petersburg.

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Quelle: Frédéric Chaubin

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... oder ein kreisrundes Sanatorium auf dicken Betonstelzen - Chaubins Einblicke in die Architektur des Sozialismus sind originell und wecken sofort die Lust aufs Reisen an Orte wie Yalta in der Ukraine oder das kasachische Almaty.

Dabei war ursprünglich alles Zufall, erzählt Chaubin im Vorwort. 2003 kaufte er in einem Antiquariat in Tiflis ein Buch, in dem er die Bilder zweier kurioser Bauwerke in der georgischen Hauptstadt entdeckte. "Eigentlich war ich gekommen, um Präsident Schewardnadse zu interviewen. Da reichlich Zeit war, machte ich mich auf die Suche und habe die Gebäude auch gefunden. Erschlagen von ihren Dimensionen machte ich einige Fotos."

Normalerweise würden solche Geschichten hier enden, so Chaubin. "In diesem Fall aber wurden die durch ein Buch angeregten Aufnahmen zum Grundstein eines weiteren Buches."

Das Institut "Freundschaft" in Jalta auf der Krim.

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Quelle: Hatje Cantz Verlag

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Roman Bezjak geht völlig anders an das Thema heran - viel konzeptioneller und theoretischer. Sein Bildband aus dem Hatje Cantz Verlag ist kleiner, die Fotos nicht ganz so glänzend. Bezjak fotografiert seine ...

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Quelle: Roman Bezjak

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... "sozialistischen Freilichtmuseen" immer aus derselben Perspektive und demselben Abstand - was nicht mehr drauf passt, passt eben nicht drauf. In seiner "dezenten Untersicht" huldige der Fotograf "der Perspektive des gewöhnlichen Fußgängers", schreibt der SZ-Autor Till Briegleb im Nachwort.

Kaufhaus im ukrainischen Dnipropetrowsk

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Quelle: Roman Bezjak

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Bezjaks Verdienst liege in "der Rettung von erinnerungswürdigen Bildern - Bildern, die häufig so alltäglich erscheinen, dass niemand sich die Mühe macht, ihren schmutzigen Zauber zu bannen." Nicht alles, was in diesen beiden Bildbänden zu sehen ist, wirkt anziehend - manches sogar abstoßend.

Plattenbausiedlung in Leipzig

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Quelle: Roman Bezjak

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Trotzdem bieten sie viele überraschende Erkenntnisse, allein schon die, dass "Platte" nicht gleich "Platte" ist, wie Inka Schube, Kuratorin des Sprengel Museums in Hannover in Bezjaks Bildband schreibt.

So gab es beispielsweise in der Slowakei eine ganz eigene Architekturschule, im katholisch geprägten Polen fühlte man sich den historischen Bausubstanzen verpflichtet und in den baltischen Staaten war nahezu jeder Neubau ein provozierendes Symbol sowjetischer Fremdherrschaft.

Palast der Jugend und des Sports in Priština, Kosovo

© sueddeutsche.de/dpa/pak/holz
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