Süddeutsche Zeitung

Soziale Not in den USA:Letzte Hoffnung Öl-Boom

Inmitten wirtschaftlich schwieriger Zeiten suchen Tausende Amerikaner ihr Glück im Ölstädtchen Williston. Doch ihr Glaube an den amerikanischen Traum wird dort auf eine harte Probe gestellt. Der Fotograf Kristoffer Finn zeigt ihre Realität auf beklemmenden Fotos.

Inmitten wirtschaftlich schwieriger Zeiten suchen Tausende Amerikaner ihr Glück im Ölstädtchen Williston. Doch ihr Glaube an den amerikanischen Traum wird dort auf eine harte Probe gestellt. Der Fotograf Kristoffer Finn zeigt ihre Realität auf beklemmenden Fotos. Ein obdachloser Veteran des US-Militärs steht an einer Kreuzung in Williston im Bundesstaat North Dakota. Er ist auf der Suche nach Arbeit und hält ein selbstgemachtes Pappschild in der Hand, auf dem er nach "Arbeit für einen Veteranen" fragt. Der Rucksack mit seinen letzten Habseligkeiten liegt hinter ihm. Der aktuelle Öl-Boom hat Tausende nach Williston gelockt, doch leben viele von ihnen ohne feste Unterkunft. Bilder und Texte: Kristoffer Finn

Robert, John und Scott zelten an einem See rund eine halbe Autostunde außerhalb von Williston. Hier ist ihre einzige Unterkunft, während sie auf einen gut bezahlten Job als Öl-Arbeiter hoffen. Wie viele können auch sie sich keine Dach über dem Kopf leisten - im Zuge des aktuellen Öl-Booms sind keine bezahlbaren Unterkünfte mehr frei. Innerhalb des Stadtgebiets von Williston ist es inzwischen verboten, im Auto oder auf der Straße zu schlafen. Der See liegt außerhalb der Stadtgrenze, dort werden sie geduldet.

J.J.s Eltern sind aus dem US-Bundesstaat Louisiana nach Williston gekommen und leben, wie viele dort, in einem Trailer-Park. Während J.J. zwischen den Wohnwagen spielt, schaut er über ein Holzbrett. Seit Wochen verbringt der verstört wirkende Junge fast all seine Zeit mit seiner Schwester und seiner Mutter im Wohnwagen, während sein Vater Tag arbeitet.

Jeden Tag wird im Westen des US-Bundesstaats North Dakota an Hunderten Fördertürmen ohne Unterbrechung über 3000 Meter tief gebohrt, um an das Öl zu gelangen. Das Fracking-Verfahren ist die technische Voraussetzung zur Erschließung des Öls im festen Gestein. Diese Bohranlage steht rund eine Autostunde außerhalb von Williston.

Kris ist ein Driller, ein Vorarbeiter unter den Bohrarbeitern, an einem Förderturm circa zwei Autostunden außerhalb von Williston. Das Porträt zeigt ihn auf der Plattform während seiner Schicht. Er gehört zum sogenannten "alten Ölfeld", einer Generation von Arbeitern, die schon lange vor dem aktuellen Boom an den Bohranlagen tätig waren.

Die recht junge Crew einer Bohranlage circa zwei Autostunden außerhalb von Williston bei der Besprechung zum Schichtwechsel. Ihre Generation wird als das "neue Ölfeld" bezeichnet, weil sie erst im Zuge des aktuellen Booms an einer Bohranlage anheuerten. In der Mitte sitzt der Verantwortliche der Schicht, der Driller.

Regelmäßig müssen die Tanks der Öl-Trucks von innen gereinigt werden. Während der Arbeiter die Bürste durch die enge Luke aus einem Tanker an einem Truck-Stop heraus reicht, sind die dort überaus beliebten Tätowierungen auf seinem muskulösen Arm zu erkennen.

Wohlfahrtsstaatliche Einrichtungen gibt es in Williston kaum, und so betrachten die Kirchen es als ihre Aufgabe, eine minimale Fürsorge für "moralisch integere" Bürger zu gewährleisten. Diese Kirche in Williston bietet freie Mahlzeiten für Bedürftige an.

Der Parkplatz der "Concordia Lutheran Church" in Williston bietet während der Nacht einen sicheren Platz, um im Auto zu schlafen. Dieser Mann findet auf der Rückbank seine alten Audis einen Rückzugsort mit etwas Privatsphäre.

Dieses Ehepaar Anfang zwanzig ist aus dem US-Bundesstaat Montana nach Williston gekommen und lebt auf dem Parkplatz einer Kirche in einem alten Wohnwagen. Während beide zur Arbeit aufbrechen, verabschiedet sie sich vom Hund.

Viele Arbeitssuchende schlafen in den Sommermonaten in ihren Autos, so auch dieser junge Mann.

Wer kein Auto und keinen anderen Platz zum Übernachten hat, darf auf einen Schlafplatz in der "Concordia Lutheran Church" von Pastor Jay Reincke hoffen. Wie dieser Mann, der in der Kapelle schläft.

In einer düsteren Bar in Downtown Williston sitzt ein nachdenklicher Mann, während Licht durch ein Fenster hereinfällt. Er sucht bei einem Bier Zuflucht vor der Hitze der Mittagssonne.

Um ein Uhr nachts ist Sperrstunde in Downtown Williston. Der hochprozentige Drink "jelly bomb" entfaltet in den Bars aber bereits vor Mitternacht seine Wirkung: Eine junge Frau leckt an der Brust eines jungen Mannes, welcher sein T-Shirt über den Kopf gezogen hat, um nicht erkannt zu werden.Der aktuelle Öl-Boom bringt viel Geld nach Williston, das zur Ablenkung von den Lebensbedingungen wiederum oft in den Bars auf den Kopf gehauen wird.

Bevor Brian nach Williston kam, war er mehrere Jahre im Gefängnis. Seine Freundin konnte das nicht ertragen und brachte sich selbst mit einer Überdosis Heroin um. Seitdem hat er dieses laminierte Bild von ihr bei sich, das er auf einem Parkplatz in der Hand hält.

Ein heißer Sommertag neigt sich dem Ende zu, und ein Sprung in den "Little Muddy River" bringt Erfrischung. 

Bereits vor Sonnenaufgang bildet sich eine Schlange vor einem Tagelöhner-Büro. Viele der Arbeitssuchenden hoffen durch Zeitarbeit doch noch an einen festen Job mit dem guten Gehalt eines Öl-Arbeiters zu kommen.

An einem speziellen Bohrturm werden die Abschluss-Arbeiten bei einer Bohrung außerhalb von Williston durchgeführt. Da sowohl bei Tag als auch bei Nacht gearbeitet wird, erhellen nach Sonnenuntergang Flutlichtscheinwerfer den Platz.

Taylor ist einer von vielen, die in der Hoffnung auf einen gut bezahlten Job nach Williston kamen. Doch er gehört zugleich zu den wenigen, für die der Traum Wirklichkeit wurde. Bei Sonnenuntergang und eingeschalteten Flutlichtscheinwerfern steht er vor dem Förderturm, auf dem er arbeitet - auf der Schulter ein schweres Werkzeug.

Zack arbeitet in einem Schnellrestaurant in Williston. Jeden Tag bereitet er über zwölf Stunden lang Pommes frites zu, statt als Öl-Arbeiter reich zu werden. Im Vergleich zum Landesdurchschnitt bekommt er zwar immer noch ein überdurchschnittlich gutes Gehalt, doch kann man sich dafür in der Boom-Stadt Williston nicht einmal eine Unterkunft leisten.

B.J. hat keine Hoffnung mehr, dass sich die widrigen Lebensumstände in Williston für ihn zum Guten wenden werden. Dass er also einen guten Job findet und sich eine Wohnung leisten kann. Er fährt mit dem Zug zurück in seine Heimat im Bundesstaat Mississippi.

An einer Tankstelle in Williston steht im Eingangsbereich der Rucksack eines obdachlosen Mannes. Er glaubt noch immer an den amerikanischen Traum und verleiht seinem Patriotismus mit einer Flagge Ausdruck - obwohl darunter seine letzten Habseligkeiten verstaut sind.

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